Alvion - Vorzeichen (German Edition)
Lichter, die von kleinen Feuern im Heereslager stammten. Als ich sicher war, dass sich vor dem Gebäude und auf der Straße in diesem Moment nichts rührte, trat ich vorsichtig aus der Tür und wandte mich nach rechts, ohne mich umzublicken, mit der Gewissheit, dass sie mir folgen würden. Nach wenigen Schritten erreichte ich die Ecke und lugte vorsichtig darum herum. Die beiden dort postierten Soldaten waren als dunkle Schatten zu erkennen. Sie hatten offensichtlich eine lasche Pflichtauffassung, denn sie saßen ein gutes Stück von der Wand entfernt im Dunklen und unterhielten sich flüsternd. Ich drehte mich noch einmal um und flüsterte leise:
„ Folgt mir!“
Dann schlich ich um die Ecke herum und versuchte mich lautlos an die Beiden heranzupirschen.
Es gelang uns problemlos, sie zu überwältigen. Sie konnten nicht einmal einen Laut von sich geben, als wir sie aus dem Dunkel heraus überraschten. Auch die beiden Soldaten, die hinter dem Gebäude Wache halten sollten, stellten kein Problem dar, da sie sogar fast geschlafen hatten, als wir über sie herfielen. Dort hatten wir auch den anderen Trupp wieder getroffen, der ebenfalls nicht auf Schwierigkeiten gestoßen war. Während ich nun die Bewusstlosen ins Gebäude schaffen ließ, keimte in mir ein bohrendes Gefühl der Unruhe auf. Es war zu leicht gegangen, viel zu leicht! Das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmte, wurde von Augenblick zu Augenblick stärker.
Nachdem wir die Waffen des überwältigten Wachtrupps an uns genommen hatten, ließ ich die nach wie vor Bewusstlosen, mit ihren Gürteln fesseln und mit den Fetzen eines zerrissenen Hemdes knebeln. Mir war klar, dass sie sich früher oder später davon befreien konnten, aber es würde hoffentlich so lange halten, bis wir verschwunden waren. Es war riskant, doch Wehrlose zu töten war nicht meine Sache. Der Anführer des Wachtrupps blickte mir entgegen, als ich mich mit einem Knebel zu ihm herunterbeugte.
„ Verzeiht!“, sagte ich nur zu ihm, schob ihm den Knebel in den Mund und versetzte ihm dann einen Hieb mit dem Knauf eines erbeuteten Schwertes. Auch er würde jetzt einige Zeit bewusstlos sein. Ich stand auf und ging zur Tür. Seitdem wir unsere Bewacher überwältigt hatten, waren erst wenige Minuten vergangen und bisher war unser Fluchtversuch unentdeckt geblieben, aber wir mussten weiterhin schnell handeln und in Bewegung bleiben. Vor allem aber musste ich diese nagende Unruhe in den Griff bekommen, die mich immer nervöser machte. Bisher lief alles nach unseren Wünschen und doch empfand ich keine Erleichterung, nur ein unbestimmtes Gefühl drohenden Unheils.
„ Kommt! Wir dürfen keine Zeit verlieren!“, flüsterte ich den um mich herumstehenden Männern zu, und schlüpfte hinaus auf die Straße.
Die Umrisse der Häuser hoben sich dunkel gegen den sternklaren Nachthimmel ab und boten uns einen einigermaßen guten Sichtschutz, gegen zufällig oder planmäßig vorbeikommende Soldaten. Blitzschnell und so leise wie möglich schlichen wir nacheinander, wie auf eine Kette gezogene Perlen, von Haus zu Haus. Immer wieder blieb ich stehen und lauschte prüfend, ob sich vielleicht Schritte auf der Straße näherten oder in einem der Häuser etwas vor sich ging, was uns hätte gefährden können. Doch außer Gesprächsfetzen, gelegentlichem Klirren und Gelächter aus dem großen Heereslager, war kein Geräusch zu hören. Allmählich geriet ich in Wut über mich selbst, da diese an sich beruhigende Feststellung auf mich die gegenteilige Wirkung hatte. Die Tatsache, dass alles bisher reibungslos geklappt hatte, versetzte mich in brennende Unruhe und ein Teil von mir schien seine Vorahnungen geradezu hinausschreien zu wollen. Mit jedem Schritt, den ich weiter schlich, wurde es schlimmer und es kostete mich einiges an Mühe, mich im Zaum zu halten.
Entgegen meiner Befürchtungen erreichten wir ohne Schwierigkeiten nach kurzer Zeit das letzte Haus des Dorfes. Nur etwa zwanzig Schritt entfernt, links von der kleinen Straße, standen bereits die ersten Zelte des Lagers. Zwischen den Zeltreihen schimmerte der Lichtschein dutzender Lagerfeuer und warf zuckende Schatten auf die grauen Zelte, doch ansonsten war nichts zu sehen, da es die Wachen mit ihren Pflichten offenbar nicht allzu genau nahmen. Auch die vielen Gesprächsfetzen vernahm ich nun deutlich lauter. Dennoch schien in dem Lager alles ruhig zu sein, die Soldaten schliefen oder saßen an den Feuern beieinander, unterhielten sich,
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