Alvion - Vorzeichen (German Edition)
man in einen trüben Tümpel, doch dies war unmöglich, da das Gebilde in einem Rahmen an der Wand hing. Die Gestalt breitete die Arme aus und flüsterte Worte in einer uralten, nur wenigen Eingeweihten bekannten Sprache. Gleich darauf begannen über den Handflächen blau leuchtende, kleine Irrlichter zu tanzen, die rasch anschwollen, sodass der ganze Raum von einem unheimlichen Licht erfüllt wurde. Mit einem Mal wurde die Oberfläche des Spiegels glatt und begann ihre Farbe zu ändern. Von allen Seiten schossen bunt leuchtende Farbströme auf die Mitte zu und flossen ineinander. Schließlich klarte die Flüssigkeit auf und ein deutliches Bild erschien. Ein Mann in einer schwarzen Kutte blickte der Gestalt durch den Spiegel entgegen und senkte dann demütig sein hartes, von Falten durchfurchtes Gesicht, in dessen Mitte zwei eiskalte, blaue Augen lagen. Mit gesenktem Kopf sprach er:
„ Ich grüße Euch, Erhabener! Ich bin bereit, Rechenschaft abzulegen und Eure Befehle zu hören.“
Molaar antwortete mit harter Stimme, einer Stimme, die es gewohnt war, Befehle auszusprechen.
„ So lege deine Rechenschaft ab, Magier!“
Er betonte dabei das Wort ’Magier’ so stark, dass es fast einen abfälligen Klang bekam, und machte damit deutlich, dass er sich als uneingeschränkter Herr über den anderen fühlte.
„ Meister, alles läuft wie geplant! Wir haben uns bereits den Weg über den Quus erkämpft und stoßen wie geplant auf Ulyssa vor! Ohne den zweiten großen Kriegshafen an der Südküste Soliens wird die solische Flotte die Herrschaft über das lynische Meer aufgeben müssen. Allerdings stehen große Heere aus Westsolien, Teile der Ostsolischen Heere und ein großes Kontingent der Zal vor der Stadt. Wir glauben auch, dass uns dort mehrere Mitglieder des Ordens vom Seelenwald entgegentreten werden.“
Molaar verlor sofort die Beherrschung – eines seiner Hauptwesensmerkmale – und fuhr seinen Untertan zornig an:
„ Wozu habe ich euch allen so viel Macht verliehen? Die Würmer des Ordens werden euch nicht standhalten können! Ihr habt sie zu vernichten! Ihr führt gewaltige Streitkräfte an, wie sie Velia nie zuvor gesehen hat, daher warne ich dich: Enttäusche mich nicht! Und nun verschwinde und erobere die Stadt!“
Der Angesprochene nickte und senkte ehrfürchtig den Kopf, ehe sein Bild im Spiegel verschwamm.
Ein zweites Mal führte Molaar die Beschwörung aus und erzeugte ein neues Bild auf der Oberfläche des Spiegels. Es war Absaloms Gesicht, das Molaar nun entgegenblickte und dann ebenso wie der vorherige Magier voller Ehrfurcht seinen Blick senkte.
„ Ich grüße Euch, Erhabener! Ich bin bereit Euch zu berichten und Eure Befehle zu hören.“
„ Dann sprich, Magier!“, sagte Molaar erneut mit einem verächtlichen Unterton.
„ Erhabener, wir hoffen, die Belagerung von Perlia in Kürze beginnen zu können und …“ Molaar fiel ihm augenblicklich ins Wort und brüllte wütend:
„ Bald? Ihr habt noch keinen Ring aus Stahl und Feuer um die Stadt gelegt?“
„ Nein, Erhabener“, erwiderte Absalom kleinlaut. „Viele Magier erwarten uns dort und wir glauben, dass auch der Hüter des Ordens unter ihnen ist. Obwohl wir zahlenmäßig überlegen sind, wollen wir uns erst aufs Genaueste vorbereiten.“
„ Hör auf mit dieser Winselei und rechtfertige euer Versagen nicht mit den Kräften eines anderen“, fiel ihm Molaar zornig ins Wort. „Der Orden vom Seelenwald ist nicht erfahren in der Magie des Kampfes und des Krieges! Wenn ihr scheitert, so ist dies einzig eurer Unzulänglichkeit und Feigheit zuzuschreiben! Nehmt die Stadt ein, mir ist egal mit welchen Mitteln! Wenn ihr nicht zum Winteranfang an den Mauern Zentralsoliens steht, kümmere ich mich persönlich um jeden Einzelnen von euch! Macht euch ans Werk und erzürnt mich nicht wieder!“
Erneut verschwamm das Bild und Molaar führte ein drittes Mal die Beschwörung durch und diesmal erschien eine Frau vor ihm, ebenfalls in eine schwarze Kutte gehüllt, die ebenso demütig den Blick vor ihm senkte:
„ Meine Ehrerbietung, Erhabener! Ich bin bereit, Rechenschaft abzulegen und Eure Befehle zu empfangen!“
Molaar antwortete diesmal ohne den verächtlichen Unterton in seiner Stimme, doch es war deutlich zu erkennen, dass er seine Wut über etwaige weitere Schwierigkeiten diesmal nur noch schwer bezähmen würde können.
„ Sprich!“, forderte er sie leise, doch unverhohlen drohend auf.
„ Argion brennt, Erhabener! Der Widerstand
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