Alvion - Vorzeichen (German Edition)
Tage damit verbracht, seine Männer stundenlang üben zu lassen, auf die verschiedenen Signale der Kriegshörner zu reagieren, hatte sie galoppieren lassen, halten und wenden, nach der Seite schwenken und schließlich beschlossen, dass er in jener kurzen Zeit getan hatte, was er hatte tun können. Schließlich kam er zu dem Ergebnis, dass seine Reiter zumindest einigermaßen gelernt hatten, was sie zu tun hatten, wenn das Horn seine Befehle verkündete. Das hoffte er zumindest.
Tian saß im Sattel, etwa drei Meilen westlich der weißen Stadt, die er in der Ferne in der Morgendämmerung schimmern sehen konnte, und wartete auf die Signale der Kriegshörner aus dem Osten, die ihm zeigen würden, dass der große Sturm begann. Am gestrigen Abend hatten die Spähtrupps berichtet, dass die Anspannung über dem riesigen Lager der meridianischen Armee so greifbar in der Luft lag, dass man sie mit dem Schwert hätte durchtrennen können. Daraufhin waren die beiden für den Flankenangriff bestimmten Kavallerieabteilungen spät nachts hinaus in die Ebenen geritten, und hatten versteckt an den vorbestimmten Stellen gelagert. Ohne das Wirken der Magier wäre dieses Unterfangen nutzlos gewesen, doch bisher waren sie nicht entdeckt worden.
Tian fröstelte und rutschte im Sattel hin und her um die nächtliche Kühle aus seinen Gliedern zu vertreiben. Er wandte seinen Kopf nach Norden, wo er einen einsamen Reiter in der Ferne sehen konnte. Sein Name war Eleasar von Talos, der Magier des Ordens vom Seelenwald, der einen schützenden Zauber über sie gelegt hatte. Von dieser einzelnen Gestalt, selbst ein Sohn Argions, hing ihr Schicksal ab, denn wenn die Magier des Feindes, den fein gesponnenen und gut verborgenen Zauber aufdeckten, war das Moment der Überraschung verloren und damit auch die ohnehin geringe Hoffnung auf den Sieg. Tian verscheuchte diesen Gedanken und blickte sich um, wo seine gewaltige, doch im Vergleich zum Feind kleine Reiterei im Moment noch viele Reihen tief gestaffelt, aufgesessen war. Kurzzeitig sinnierte er, dass er sich niemals hätte träumen lassen, einmal als Befehlshaber über viele tausend Krieger in eine Schlacht zu ziehen. Dazu war er seit langer Zeit viel zu sehr Einzelgänger und Einzelkämpfer gewesen.
Die meisten Gesichter spiegelten Nervosität und Angst wider, aber auch Entschlossenheit, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. An sich jene Einstellung, die sie am heutigen Tage unbedingt nötig hatten, aber ebenso eine, die in der Geschichte Velias schon unzählige Massengräber gefüllt hatte. Tian hoffte trotzdem, dass die Entschlossenen die Ängstlichen würden mitreißen können, und blickte wieder nach Osten auf die Stadt. Dort schien es zu wimmeln wie in einem Ameisenhaufen. Aus dieser Entfernung sah es aus, wie eine schwarze zuckende Masse, die sich zähflüssig bewegte, doch er wusste, dass die Fußtruppen und der Rest der argion’schen Reiterei Aufstellung nahmen und dem Feind die Schlacht anboten. Mittlerweile war die Sonne über den Horizont gekrochen und zum ersten Mal wurde der Stahl von zigtausenden Waffen, Schildern und Helmen blinkend reflektiert. Es war beinahe zum Verzweifeln, Argion hatte die größte Streitmacht aller Zeiten aufgestellt und trotzdem erschien das, im Vergleich zum Feind, geradezu lächerlich wenig. Doch was half es jetzt? Alles, was er tun konnte, war auf die Hornsignale zu warten und dann seine Männer losstürmen zu lassen, um dem Feind mit voller Wucht in die Flanke zu fallen.
Etwa eine Stunde später hörte Tian ein seltsames, langsam anschwellendes Grummeln in der Ferne und erkannte es schließlich als das Geräusch von zigtausenden galoppierenden Hufen. Er bemerkte, wie sein Pferd unruhig schnaubte, da es genau spürte, dass bald etwas Gewaltiges geschehen würde. Langsam zog er sein Schwert, führte seinen rechten Arm nach oben und reckte es gen Himmel. Das Hornsignal musste nun jeden Augenblick ertönen, wenn sie nicht zu spät kommen sollten. Es würde dennoch ein reines Glücksspiel werden, denn der Magier konnte sie zwar vor Blicken schützen doch nicht auch noch unhörbar machen. In diesem Punkt hatte die Führung darauf gesetzt, dass der Lärm der entbrannten Schlacht die Hufe von zehntausenden anstürmenden Pferden so lange übertönen würde, bis es für die feindlichen Truppen zu spät war, um noch zu reagieren.
Mittlerweile bahnte sich im Osten ein unglaubliches Schauspiel an. Am Himmel flogen gewaltige Wolkentürme aus dem Norden und
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