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Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Titel: Alvion - Vorzeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Thiering
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Lächeln. Ich beschloss Lyrias Rat zu folgen und das Ganze erst anzusprechen, wenn die nächste Woche vorüber war, und fing an zu essen. Lyria begann von ihrem Tag an der Akademie zu erzählen und berichtete, dass sie sich besonders der Geschichte unserer Insel und der unseres Volkes zuwenden wollte. Die Sagen über das verschwundene Volk der Lynen, dessen letzte Mitglieder hier auf Alyra gelebt hatten, zogen sie seit jeher in ihren Bann. Während sie erzählte, hörte sie sogar auf zu essen und redete geradezu auf meine Eltern ein. Meine Mutter lauschte ihr mit einem interessierten Gesichtsausdruck und erzählte sogleich von ihrer eigenen Zeit auf der Akademie und dem, was sie damals gelernt hatte. Mein Vater dagegen ließ sich nicht beim Essen stören und aß normal weiter, als würde er das Gespräch überhaupt nicht hören. Als sich kurz darauf unsere Blicke trafen, zwinkerte er mir jedoch mit einem Auge zu und brachte mich auf diese Weise zum Lachen. Sofort verstummte das Gespräch und meine Mutter betrachtete erst mich und dann meinen Vater mit skeptischem Blick.
    „ Findet ihr beide das lustig?“, fragte sie, musste jedoch selbst darauf achten, nicht zu lachen. Mein Vater blieb völlig ernst und erwiderte:
    „ Wenn ihr beiden so weitermacht, sitzt ihr bei Einbruch der Dämmerung noch vor euren Tellern, während Alvion und ich alleine auf dem Marktplatz feiern. Deine Suppe läuft größere Gefahr kalt zu werden, als die deines Sohnes!“ Unwillkürlich musste meine Mutter lachen, ehe sie sagte:
    „ Nun, mein Lieber, wie du schon sagtest, steht das Sonnenfest bevor und es erinnert uns daran, wer unsere Vorfahren waren!“
    Damit hatte sie natürlich auch recht, denn das bevorstehende Sonnenfest wurde gefeiert, solange man zurückdenken konnte. Der Brauch, der der Sage nach noch von den Lynen stammte, besagte, dass in jedem elften Sommer, wenn Ennos Sonne und Mond auf ganz bestimmte Weise am Himmel vereinigte, große Feuer angezündet werden sollten. Auf jedem Hügel und in jedem Dorf Alyras würden sie brennen, um Ennos, den Göttervater, zu ehren. Sofort als ich daran erinnert wurde, wurde ich unruhig und fühlte ein kribbelndes Gefühl im Bauch, so aufgeregt war ich, denn dies würde mein erstes wirkliches Sonnenfest sein. Zwar hatte ich schon eines erlebt, doch damals war ich gerade ein Jahr alt gewesen. Meine Mutter und Lyria nahmen ihr Gespräch wieder auf, bis mein Vater plötzlich beunruhigt aufblickte und aus dem Fenster nach draußen starrte. Ich bemerkte seinen besorgten Blick und spürte mit einem Mal selbst, dass etwas sehr Seltsames in der Luft lag, etwa wie die letzten Momente vor einem Gewitter. Plötzlich verstummte Lyria mitten im Satz und blickte mit kreidebleichem Gesicht umher. In mir selbst wuchs ein bohrendes Gefühl der Angst zu solcher Stärke an, dass mein Bauch zu schmerzen begann.
    „ Was ist los mit dir?“, vernahm ich wie aus weiter Ferne die an meinen Vater gerichtete Frage meiner Mutter, denn in seinem Gesicht stand mittlerweile blankes Entsetzen. Ehe er jedoch antworten konnte, begann auf einmal der Boden zu zittern. Das Geschirr auf dem Tisch klapperte, ebenso die Bilder an den Wänden, fast so, als würde ein Riese an unserem Haus rütteln. Ein Geräusch, wie das ferne Grollen eines Donners erklang, doch es ebbte nicht mehr ab, sondern wurde noch lauter. Auch das Zittern des Bodens verstärkte sich. Mein Vater sprang auf.
    „ Raus aus dem Haus, sofort!“, rief er laut und drängte uns zur Tür hinaus.
    Auf der Straße sah ich, dass überall verängstigte Leute aus ihren Häusern liefen, während immer noch alles, wie unter den Schlägen eines Giganten, zu erzittern schien. Das Grollen war hier im Freien noch viel lauter zu vernehmen als im Haus und ich drückte mich ängstlich an meine Mutter, die ihre Arme um mich und Lyria gelegt hatte. Mein Vater stand vor uns, hatte die Arme in die Hüften gestemmt und blickte angestrengt in Richtung Norden. Ich drehte meinen Kopf, um zu sehen, was er dort erblickte. Bei klarem Wetter konnte man dort in der Ferne den riesigen Gebirgszug erkennen, der zumeist in Wolkenschleier gehüllt war, doch nun waren die Berge deutlich zu sehen, denn von ihren Spitzen stiegen gewaltige schwarze Rauchsäulen in den Himmel.
    Mittlerweile hatte das Beben etwas nachgelassen und auch das Grollen war vorerst wieder verstummt. Eine trügerische Ruhe lag über dem Land, doch sie war nicht friedlich, sondern hatte etwas ungeheuer Bedrohliches an

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