Alvion - Vorzeichen (German Edition)
hinter mir eine Stimme:
„ Alvion! Alvion Trey!“
Suchend blickte ich mich nach dem Rufer um, da kam er auch schon heran, doch zunächst konnte ich im Dämmerlicht des Abends sein Gesicht nicht erkennen. Erst als er direkt vor mir stand und bereits meine Hand ergriffen hatte und sie kräftig schüttelte, erkannte ich den Mann.
„ Abax? Abax Ulfas?“ fragte ich höchst erstaunt und ungläubig.
„ So ist es, Alvion! Es ist lange her, nicht wahr?“ erwiderte er lächelnd.
„ Bei den Göttern, Abax, nahezu eine Ewigkeit!“, sagte ich lachend und erwiderte seinen Händedruck. Abax hatte ich vor Jahren das letzte Mal gesehen, als wir zusammen in Vylaan ausgebildet wurden. Wir waren nie wirklich eng befreundet gewesen, vor allem weil er der Reiterei angehörte und ich nicht, aber wir hatten des Öfteren zusammen gewürfelt oder gefeiert. Wir waren damals etwa zur gleichen Zeit zur Armee gekommen, wenn auch unter völlig anderen Bedingungen, denn Abax war freiwillig eingetreten, weil er als vierter Sohn einer armen Bauernfamilie nur in der Armee die Aussicht hatte, in seinem Leben etwas zu erreichen. Und mittlerweile hatten seine Wege ihn anscheinend nach Bilonia geführt.
„ Einst haben wir gemeinsam die Schindereien in Vylaan ertragen müssen, jetzt treffen wir uns plötzlich nach Jahren wieder. Wie ist es dir ergangen, Alvion?“
„ Ich kann mich nicht beklagen, Abax, ich habe getan, wonach mir in den letzten Jahren der Sinn stand. Aber was, bei allen Ländern Velias, führt dich hierher, Abax? Wolltest du nicht in Vylaan aufsteigen?“
„ Lass uns das an einem angenehmeren Ort besprechen, Alvion! Wohin willst du gerade?“
„ Ich wollte mir eine gemütliche Schenke suchen und mir den einen oder anderen Becher Wein genehmigen!“
„ Und deine Männer?“
„ Sofern sie schlau sind, werden sie genau das auch tun! Was soll ich sie denn sonst machen lassen?“
Abax lachte laut auf.
„ Genau, wie die meinen, man merkt, dass wir dieselbe Ausbildung erhalten haben. Nun, dann lass uns gehen, oder legst du auf meine Gesellschaft keinen Wert?“
„ Rede keinen Unsinn, Abax! Dafür wirst du die erste Runde bezahlen! Komm jetzt!“
Ich klopfte ihm auf die Schulter und zog ihn in Richtung des Haupttores. Wir mussten eine gemütliche Schenke finden und auf alte Zeiten anstoßen, die zwar nicht gerade die besten gewesen waren, aber auf jeden Fall besser, als die Zeiten, die kommen würden. Da Soldaten generell trinkfreudig waren und oft genug feierten, hatten sich um das Gelände der Kaserne natürlich dutzende Wirte angesiedelt und ihre Tavernen eröffnet. Da gab es gepflegte, teure Schenken, die für die Offiziere bestimmt waren, ganz normale, relativ ordentliche Wirtshäuser, die ich persönlich bevorzugte und natürlich das, was am besten als ‚üble Spelunke’ bezeichnet wurde: Dreckig, stinkend, billigster Wein und Fusel, Gesindel, Ungeziefer und käufliche Liebe.
Der ’Goldene Schädel’ schien für uns genau das richtige zu sein: Eine gemütliche Schenke, hell erleuchtet durch Fackeln, Laternen und Kerzen. Ungefähr ein Dutzend Tische befand sich in dem Raum, zwei große, wo sicherlich Gruppen von zwanzig Leuten Platz hatten, die restlichen Tische waren kleiner, ungefähr für sechs Leute ausgelegt. Die anwesenden Gäste unterhielten sich ruhig, es gab keine grölenden Säufer, die auf Streit aus waren, der Wein war bezahlbar und ziemlich gut. Zufrieden atmete ich das herbe Aroma der dunkelroten Flüssigkeit ein und hob dann meinen Becher, um mit dem gegenübersitzenden Abax anzustoßen.
„ Jetzt erzähl, Abax, was verschlägt dich nach Bilonia? Ich hatte höchstens damit gerechnet, dich irgendwann in Vylaan mit goldenen Schnallen auf der Schulter wieder zu treffen, aber hier?“, fragte ich schließlich.
„ Nun, du kannst dich bestimmt noch an unsere Zeit in Vylaan erinnern und das starre Zeremoniell an der Akademie und die Arroganz der Offiziere?“
Natürlich konnte ich mich noch genau daran erinnern, so viele hinterhältige, verlogene Bücklinge traf man wohl nirgendwo sonst in Velia an, also nickte ich zustimmend.
„ Ich habe es versucht, Alvion, ich habe es wirklich versucht, aber immer auf der Hut vor Intrigen sein, immer dieses unehrliche Lächeln auf Gesichtern zu sehen und immer wieder zu beobachten, dass die schmierigsten Kriecher am schnellsten vorwärtskamen, und nicht die fähigsten Soldaten, widerte mich bald an! Also kehrte ich zunächst zurück nach Media, wo ich
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