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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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macht sich nützlich, und Mona hat ihr schon oft gesagt, dass sie gar nicht weiß, wie sie ohne Ellen zurechtkommen sollte.
    Manchmal hat sie überlegt, dass sie von Mona in einer Minute mehr Liebe geschenkt bekommt als von ihren beiden Männern insgesamt in zwanzig Jahren. Es ist natürlich, dem Himmel sei Dank, eine andere Art von Liebe – aber dass sie nach Hinseberg und Vilhelmina kommen musste, um sie zu finden? Das Leben ist eine Wanderung auf verschlungenen Pfaden.
    Anfang Juli in jenem Sommer fahren Billy und sie nach Öland und zelten vier Tage. Billy freut sich, das sieht sie, spricht aber trotzdem nicht. Sie drängt ihn auch nicht, was sie besiegelt haben, ist zweifellos am besten im Schweigen aufgehoben.
    Aber so nahe wie in diesen Tagen in Böda sind sie einander nie zuvor gewesen – und werden es auch nie mehr sein. Als an jenem Montag im August alles vorbei ist, weiß sie, dass es so kommen wird, und Billy weiß es genauso gut wie sie.
    Während all der Zeit in Hinseberg und hinterher ist sie dankbar für diesen Sommer und am meisten vielleicht für diese Reise nach Öland gewesen. Sie weiß, dass sie den Jungen verlieren wird, und begreift, dass dieses Wissen die Verbindung zwischen ihnen so stark macht.
    Genieße die Tage, genieße, solange du kannst, sagt die Muti-Stimme zu ihr, aber daran braucht sie im Grunde nicht erinnert zu werden. Sie denkt, sowohl damals als auch später, dass sie nie so lebensklug gewesen ist wie in dieser Zeit.
    An Arnold denkt sie fast nie. Es ist eine bewusste Entscheidung; natürlich stiehlt er sich gelegentlich in ihre Gedanken, das tut er, aber dann verdrängt sie ihn jedes Mal wieder. Er hat ihr nichts Gutes zu geben, hatte es nie, und die Erinnerung an ihn ist vor allem eine Bürde. Trotzdem sieht sie natürlich ein, dass er eine entscheidende Rolle spielt, denn nichts wäre so gekommen, wie es gekommen ist, wenn es ihn nicht gegeben hätte. Im Guten wie im Schlechten, so ist es tatsächlich, und vielleicht will sie gerade deshalb nicht an ihn denken.
    Im Guten wie im Schlechten?
    Doch als sie fast den Nachtisch verspeist haben, Käsekuchen mit warmen Moltebeeren, im Speisesaal und hier in der Küche, spürt sie plötzlich einen Anflug von Sorge. Im Vorfeld des Gesprächs mit diesem Inspektor, der da draußen sitzt und auf sie wartet; Mona sieht es ihr an und legt ihr eine Hand auf den Arm.
    Du hast nichts zu befürchten, Ellen, erklärt sie mit ihrer tiefsten und beruhigendsten Stimme. Du weißt, was du sagen wirst, er kann dir nicht schaden, vergiss nicht, dass du dich am sichersten Ort auf der Welt befindest. Möchtest du einen kleinen Cognac?
    Sie trinken jeder ein kleines Glas, danach geht sie hinaus, um abzuräumen.
    In zehn Minuten, sagt sie zu dem Mann von der Kripo. In zehn Minuten bin ich fertig.

38
    U nd dann sitzen sie endlich zusammen.
    Der Tisch, an dem er gegessen hat. Rotweiß karierte Tischdecke. Salz, Pfeffer und HP-Sauce. Ein knorriger Holzkerzenständer und ein Fenster mit Blick auf die Berge. Es regnet nicht mehr, aber die Silhouetten werden von tief ziehenden Wolken aufgelöst. Es ist kurz nach neun, sie sind allein; die übrigen Gäste haben sich zurückgezogen, und Mona Frisk lauert höchstens in der Küche.
    Jeder mit einer Tasse Kaffee vor sich. Er stellt sein Aufnahmegerät zwischen ihnen auf den Tisch, sie wirft einen erstaunten Blick darauf, und er fragt, ob sie etwas dagegen habe. Sie schüttelt den Kopf.
    Er denkt, dass sie ihn an eine Lehrerin auf dem Gymnasium erinnert. Geschichte und Religion, wenn ihn sein Gedächtnis nicht täuscht, eventuell auch Sozialwissenschaften. Kühl, korrekt, beherrscht; hieß sie nicht Frau Jonsson?
    Ziemlich klein und zierlich ist sie im Übrigen, diese Ellen Bjarnebo. Nicht zuletzt im Vergleich zu Mona Frisk, beim Körpergewicht liegen sicher dreißig Kilo zwischen den beiden. Aber nicht zart, denkt er, in ihrem Körper steckt bestimmt immer noch genügend Kraft, um einen Kerl falls nötig mit einem Hammer zu erschlagen. Ihre Haare sind kurz, dunkel und glatt, die Augen graugrün und ruhig, die Gesichtszüge rein. Er weiß, dass sie sieben, acht Jahre älter ist als er, spürt jedoch, dass sie ebenso gut gleichaltrig sein könnten.
    Er hat beim Essen genügend Zeit gehabt, um diese Reflektionen anzustellen. Zumindest einen Teil von ihnen. Als er in den Speisesaal herunterkam, haben sie sich gegrüßt, und danach ist sie regelmäßig hereingekommen, hat serviert und abgeräumt. Er hat gedacht, wie

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