Am Abend des Mordes - Roman
Angriff nehmen würde, konnten sie sich nicht einigen, ohne Anwälte einzuschalten? Schließlich hatten sie auch die Scheidung so hinbekommen.
Von mir aus gern, hatte Eva Backman erwidert. Ihr wohnt in dem Haus, ich werde nie wieder einen Fuß in es hineinsetzen und habe nicht die Absicht, auch nur eine müde Krone dafür aufzuwenden. Dann sind wir uns einig?
Ganz und gar nicht, jetzt sei nicht so verstockt, Kleines, hatte Ville gemeint, und in diesem Stil hatten sie weitergemacht – aber am meisten erzürnt hatte es sie, dass er sie von Zeit zu Zeit gebeten hatte, nicht aufzulegen, um sich anschließend kurz und flüsternd mit dem Hausdrachen zu beraten. Am Ende hatte Eva Backman erklärt, wenn er noch einmal anrufe, werde sie ihm wegen Stalking die Hölle heiß machen, und aufgelegt.
Danach hatte sie einsam und allein zwei Gläser Wein getrunken und sich gefragt, warum die beiden sie so wütend machten.
Weißglühend und kompromisslos wütend. Ich könnte sie erwürgen, dachte sie entsetzt.
Und was war mit Ville, mit dem sie fast ihr gesamtes Leben als Erwachsene geteilt hatte?
Erwürgen würde sie ihn vielleicht nicht, aber sie wollte ihn nie mehr sehen, und dabei war er der Vater ihrer Kinder. Kleines! Er hatte sie Kleines genannt. Verdammt.
Ich brauche einen Therapeuten, war ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen.
Und jetzt diese Kopfschmerzen.
Als sie frühstückte, zogen sie sich widerwillig zurück. Auf dem Weg zur Arbeit gelang es ihr, Kalle und Viktor auf ihren Handys zu erreichen und sie daran zu erinnern, dass sie am Abend zu ihr zum Essen kommen sollten. Kalle schien vom Telefonkrieg am Vorabend nichts zu wissen, und sie dachte, dass Ville vielleicht, vielleicht und trotz allem so viel Urteilsvermögen bewiesen hatte, ihn aus der Sache herauszuhalten.
Sie hätte natürlich gerne auch für ihren dritten Sohn gekocht, aber Jörgen studierte in Göteborg und hatte eine Freundin, in die er allem Anschein nach bis über beide Ohren verliebt war, so dass sie ihn seit über einem Monat nicht mehr gesehen hatte. So sieht es aus, dachte sie. In ein paar Jahren werden alle drei ausgeflogen sein. Das Projekt Eva Backman-Ville Vuorinen wird beendet und zu den Akten gelegt sein. Fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens.
Nun ja, dachte sie, als sie das Fahrrad in den Ständer vor dem Eingang des Präsidiums schob. Drei lebenstüchtige Individuen würden auf eigenen Beinen stehend die Welt erobern. Keiner von ihnen nahm Drogen, keiner war ein Neonazi, man durfte sich wohl nicht beklagen.
Als sie in ihr Büro gekommen war, dauerte es ungefähr zwanzig Sekunden, bis Inspektor Barbarotti an die Tür klopfte und eintrat, ohne ihre Aufforderung abzuwarten. Sie dachte, dass die Dinge allmählich wieder liefen wie früher.
»Ich glaube, ich habe eine Theorie«, sagte er einleitend, als sie sich mit schwarzem Kaffee und anderthalb Butterkeksen pro Person hingesetzt hatten – mehr waren derzeit nicht verfügbar. »Du hast doch Zeit? Es wird ein bisschen dauern.«
Eva Backman sah auf die Uhr. »Anderthalb Stunden, reicht dir das?«
Barbarotti nickte und meinte, das werde reichen.
»Wie geht es dir?«, fragte sie, ehe er anfing. »Ich finde, du siehst ein bisschen besser aus.«
»Das ist nur mein Make-up«, versicherte Barbarotti ihr. »Die Kinder haben mir heute Morgen dabei geholfen. Und, bist du bereit?«
»Eine Theorie?«, sagte Backman. »Bitte sehr, ich bin ganz Ohr.«
Barbarotti blätterte eine Weile in seinem Notizblock. »Okay«, sagte er. »Es könnte natürlich durchaus sein, dass ich völlig auf dem Holzweg bin, und ich habe im Grunde nicht einmal eine Warze, was mögliche Beweise angeht.«
»Eine Warze?«, sagte Backman.
»Leg nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Ich will nur sagen, dass ich langsam, aber sicher ein Bild davon bekomme, wie die Dinge möglicherweise zusammenhängen. Ich begreife nach wie vor nicht, warum Asunander wollte, dass ich mir diese alten Fälle anschaue, aber das werde ich schon noch herausfinden. Es ist jedenfalls eine seltsame Geschichte … oder zwei. Obwohl ich nicht glaube, dass die Fälle noch einmal aufgerollt werden.«
»Ich habe eigentlich gedacht, das würdest du gerade tun«, sagte Backman. »Die Fälle aufrollen?«
»Ich weiß nicht, wie man es nennen soll«, gestand Barbarotti. »Aber wie gesagt, das muss Asunander entscheiden.«
»Ich verstehe«, sagte Eva Backman. »Dann lass uns fürs Erste von einer oder zwei seltsamen Geschichten sprechen. Dann ist da
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