Am Abend des Mordes - Roman
seinem Spanischen Rohr. Polternd, einnehmend und berechnend wie ein alter dänischer Filmschurke, wie in Gottes Namen war das nur möglich?
Bettina Braun? Hitler in Schonen? Der dritte Rebus?
Ja, ja, seufzte Gunnar Barbarotti, ließ die Kupplung kommen und fuhr weiter. Die Welt ist ein Panoptikum, und die Menschen wollen betrogen werden, so einfach ist das wahrscheinlich.
Und wer war er, diesem Irren Wallman Vorwürfe zu machen? Lieber eine Geschichte als Geschichte. Des früheren gedenkt man nicht mehr, und auch dessen, was später kommt, wird nicht mehr gedacht werden bei denen, die nach ihm kommen. Axel Wallman wusste, was er tat, und der alte Prediger hatte alles schon einmal gesehen.
Das Turnier in Zwei-Mann-Whist in der Villa Pickford an diesem schönen Frühsommerabend dauerte zwei Stunden und zwanzig Minuten – da alle Teilnehmer gegen alle spielten, und das Resultat über jede Diskussion erhaben sein musste. Man begann nach dem Essen, und als das Endergebnis endlich feststand, war es bereits nach Mitternacht. Aber da der Schulunterricht um diese Jahreszeit praktisch eingestellt war – in Erwartung der blühenden Sommer- und Ferienzeit, die in der kommenden Woche beginnen würde –, hatte keiner etwas einzuwenden. John musste am nächsten Morgen nicht in seine Espressobar, und der Termin des Kriminalinspektors mit seinem Chef am folgenden Vormittag war erst um elf.
Und es waren gute Stunden. Gelegentlich fühlte er, dass Mariannes Geist über ihnen schwebte. Und sie von ihrem Wolkenkissen aus über sie lächelte. Große Worte vielleicht, aber das Beste war, er spürte, dass die anderen es auch spürten. Wunderbar, dachte er. Danke.
Wie gesagt, gelegentlich. Gleichzeitig war es natürlich ein Gang über dünnes Eis; es gab Oberflächenspannung und Eisrinnen, aber trotzdem waren es Schritte in die richtige Richtung.
Das Kartenspiel selbst ließ aus der Perspektive des Familienvaters allerdings einiges zu wünschen übrig. Da die Punkte bei der in der Villa Pickford gängigen Whistvariante genauso verteilt wurden wie im Schach, endete eine Partie entweder 1–0 für einen der Spieler, oder, im Falle eines Gleichstands bei den Stichen, was häufiger vorkam, als man vorab vielleicht gedacht hätte: 0,5–0,5. Bei sechs Teilnehmern kam es zu insgesamt 15 Partien, fünf für jeden, und als Lars mit kaum verhohlener Begeisterung das Endergebnis verlas, konnte er feststellen, dass er selbst gewonnen hatte. Er hatte 4 Punkte angesammelt. Den zweiten Platz teilten sich Sara und Johan mit 3 Punkten, Vierter war Martin mit 2,5, Fünfte Jenny mit 1,5 und Sechster und Letzter Vater Gunnar mit einem einzigen kläglichen Pünktchen.
Wie gesagt, über jede Diskussion erhaben.
Die Jungen gingen nach dem Ende des Turniers sofort ins Bett, aber obwohl es schon spät war, blieb er mit Sara und Jenny noch eine Weile im Erdgeschoss sitzen und merkte schnell, dass es zwischen den beiden Mädchen eine Nähe gab, die er bisher nicht wahrgenommen hatte.
Seine Tochter, Mariannes Tochter. Der Altersunterschied betrug sechs Jahre, aber das spielte keine Rolle. Es herrschte ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Verbundenheit zwischen ihnen, das war unübersehbar, und als er begriff, dass er sich das nicht einbildete, rührte es ihn so, dass er sie in Ruhe lassen musste. Er stieg die Treppe hinauf und warf einen letzten Blick auf die Mädchen, die in ihren Korbsesseln im Erker zum See saßen; in Decken und helle Sommernacht gehüllt; große Teetassen in Griffnähe, und der Eindruck, dass sowohl Marianne als auch der Herrgott ihre schützenden Hände über sie hielten, brauchte nicht in Frage gestellt zu werden.
Diese Schwingungen, dachte er. Diese Zuversicht, die kommt und geht, wie sie will. Glitschig wie eine Badeseife, dieser Gedanke kam ihm nicht zum ersten Mal.
Als er sich hingelegt hatte, schlug er die Bibel auf und las die Psalmen 23 und 91.
Löschte das Licht und drehte sich auf die Seite, um zu schlafen.
Fünf Minuten später, mittlerweile musste es lange nach eins sein, schaltete er das Licht wieder an. Seinem Körper war es gelungen einzudösen, so empfand er es zumindest, seinem Gehirn dagegen nicht. Er griff nach den Ermittlungsordnern, die neben seinem Bett auf dem Fußboden lagen, und begann zu blättern.
Um Viertel vor zwei fand er endlich einen Namen.
Börje Granat.
Er stand auf, schaltete den Computer ein und suchte ihn im Internet.
Na, wer sagte es denn: Der Bursche schien noch zu leben und in der
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