Am Abend des Mordes - Roman
allerdings nicht. Weit gefehlt. Und vielleicht hielt er sich ja trotz allem aus eigener Kraft über Wasser – mit der Nase knapp über der Oberfläche? Wie Männer das so machten. Woher sollte sie das wissen, wenn er sie nicht an sich heranließ?
Mir würde es auch gut tun, in einem Bürostuhl zu sitzen und zu schlafen, dachte Eva Backman und kehrte in ihr Büro zurück, wo sie ein ganzer Schwall politischer Spekulationen erwartete. Ein kleines Nickerchen nur.
Aber daraus wurde natürlich nichts. Für sie gab es nur Arbeit, Arbeit und noch mal Arbeit – bis sie entdeckte, dass es Viertel vor sechs und damit höchste Zeit war, das Rollo herunterzulassen.
8
A ls Barbarotti endlich Kontakt zu Ellen Bjarnebo bekam, war es schon Donnerstag. Sie hielt sich in einer kleinen Gebirgspension in der Nähe von Vilhelmina im südlichen Lappland auf, wo ihr Handy praktisch kein Netz hatte. Er fragte nicht, was sie so weit in den Norden führte, und versuchte, den Grund für seinen Anruf zu kaschieren, sah sich aber natürlich gezwungen, ihr zu sagen, dass er ein Polizist aus Kymlinge war. Ellen Bjarnebo nahm diese Information mit einem schlichten so, so, aha, auf und erklärte, dass sie in der kommenden Woche wieder in Kymlinge sein würde. Barbarotti erkundigte sich, ob er sich dann noch einmal bei ihr melden könne, aber ehe sie dazu kam, ihm zu antworten, brach die Verbindung ab. Eventuell hatte sie ihn weggedrückt, und er überlegte, dass er dafür volles Verständnis hatte.
Auf seiner kurzen Liste standen vier weitere Personen, bei denen es etwas besser lief. Wenn auch nicht viel.
Mit Laura Westerbrook sprach er fünf Minuten. Sie war wie gesagt in England geboren worden, lebte aber noch immer in Schweden, mittlerweile in Slite auf der Insel Gotland, wo sie verheiratet war und drei Kinder hatte. Sie arbeitete halbtags in einer Schule und hatte über ihre wirre Ehe mit Morinder nicht viel zu sagen. Bei ihrer Scheidung war sie erst vierundzwanzig gewesen, und sie bezeichnete die ganze Geschichte als eine Jugendsünde. Falls Barbarotti sich dafür interessieren sollte, weiter in dieser Sinnlosigkeit zu wühlen, war er natürlich herzlich willkommen auf Gotland.
Allerdings hatte sie angesichts von Morinders Verschwinden bereits eine Reihe von Fragen beantwortet, und mehr, als sie damals zu sagen hatte, würde sie auch heute nicht sagen können. Ganz bestimmt nicht, die Zeit vergeht, und das Gedächtnis wird nicht besser.
Barbarotti bedankte sich und legte auf. Dachte einen Augenblick an das Haus Mariannes und ihrer Schwester in Hogrän auf der magischen Insel Gotland, verdrängte den Gedanken jedoch wieder und rief stattdessen Alfons Söderberg an.
Dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen war Alfons Söderberg zeit seines Lebens Raucher gewesen. Inzwischen war er außerdem Rentner, aber mehr als dreißig Jahre lang hatte er die Firma Elektrik Söderberg besessen und betrieben. Einer seiner Angestellten war – zehn Jahre lang, bis es zu einem Zerwürfnis kam – Arnold Morinder gewesen. Ungefähr von 1975 bis 1985. Alfons Söderberg konnte zudem ein wenig wohlwollend interpretiert als ein Freund Morinders durchgehen. Zumindest während eines Teils dieser Zeit. So war er einer der Hochzeitsgäste gewesen, als Morinder diese magere, aber dennoch ziemlich attraktive Engländerin geheiratet hatte, und war darüber hinaus einer der wenigen Menschen, die ihren Fuß in die Fischerhütte gesetzt und dort sogar übernachtet hatten.
Diese Fakten waren Barbarotti bereits bekannt, und er musste sie sich zwischen Hustenanfällen und röchelnden Atemzügen ein weiteres Mal anhören. Und dem Spucken – es hörte sich wirklich so an, als stünde neben Söderberg ein Spucknapf. Barbarotti beschloss, dass es der Mühe wert sein könnte, sich etwas genauer anzusehen, wie es sich mit allem Möglichen verhielt, und vereinbarte einen Besuch am Freitagvormittag. Söderberg wohnte seit dem Sündenfall – Juni 2001, als er von seiner Frau geschieden worden war, einer wahrhaftigen Teufelin, die mittlerweile jedoch tot und begraben war, in der genannten Reihenfolge – in der Fabriksgatan im Zentrum von Kymlinge.
Die beiden letzten Personen auf Barbarottis Liste hatten nichts mit Arnold Morinder zu tun, sondern mit Ellen Bjarnebo. Die erste war eine Frau namens Lisbeth Mattson. Früher hatte auch sie Bjarnebo geheißen, weil sie mit Ellens sechs Jahre älterem Bruder Gunder verheiratet gewesen war. Im Zusammenhang mit dem Mordprozess 1989
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