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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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aber vielleicht habe ich mich auch verhört. Sie meinte, ich würde einen Brief bekommen. Aber es ist noch keiner gekommen.
    Du zäumst das Pferd beim Schwanz auf, sagte unser Herrgott.
    Wie meinst du das, wollte Barbarotti wissen.
    Unser Herrgott seufzte und schlug einen etwas schärferen Ton an: Du willst Beweise haben, um glauben zu können. Was ist das für ein Glaube, der so schwach ist, dass er Forderungen stellt? Dein Glaube soll in einer Wüste vierzig Jahre überdauern, ich bitte doch sehr darum, auf das Buch verweisen zu dürfen, dass du in den Händen hältst. Wenn du wirklich glaubst, wirst du bekommen, wonach du strebst. Aber nur durch den Glauben. Lies die Stelle, die ich dir angegeben habe, mal ein bisschen genauer. Und durch den Glauben die Gnade, vergiss das nicht. Nicht durch Taten oder Handlungen oder Feilschen. Gib mir bloß ein Zeichen! Was ist das nur für ein Unsinn? Glaube erst, dann wirst du Zeichen sehen!
    Entschuldigung, sagte Barbarotti. Es ist nur so schwer.
    Natürlich ist es schwer, entgegnete der Herrgott. Was hattest du denn erwartet? Milch und Honig tagein, tagaus? Aber du wirst geliebt, vergiss das nicht. Am größten von allem ist die Liebe, wie du erst kürzlich so treffend festgestellt hast.
    Stimmt, sagte Barbarotti.
    Wenn du das mit dem Glauben und der Hoffnung hinbekommst, wirst du Marianne wiedersehen dürfen. Werfe diesen Zweifel von dir, den du mit dir herumschleppst.
    Ich bin in den Siebzigern in die Schule gegangen, sagte Barbarotti. Damals lernte man, an allem zu zweifeln.
    Ich dachte eigentlich, die Schule hättest du hinter dir gelassen, wunderte sich der Herrgott.
    An und für sich schon, meinte Barbarotti. Ja, du hast natürlich recht, aber trotzdem, ich …?
    Was ist denn jetzt schon wieder, unterbrach ihn der Herrgott mit einem gereizten Unterton in der Stimme.
    Dieser Brief, sagte Barbarotti.
    Der Brief an die Hebräer, fragte der Herrgott.
    Nein, Mariannes Brief, erklärte Barbarotti. Als ich ihre Stimme hörte, sagte sie, sie habe mir geschrieben. Aber ich habe nun einmal keinen Brief bekommen, und wenn ich nun nicht zweifeln soll, dann müsste er doch …?
    Ach der, sagte der Herrgott. Der kommt am Donnerstag.
    Was, fragte Barbarotti.
    Am Donnerstag! Natürlich nur, wenn sie, die ihn in den Briefkasten werfen soll, es am Mittwochabend vor sechs schafft. Aber ich werde mich darum kümmern. Hattest du noch mehr auf dem Herzen?
    Ich glaube nicht, antwortete Barbarotti. Danke, gütiger Gott, ich verspreche, fester zu glauben.
    Versprechen ist eine Sache, sein Versprechen zu halten, eine ganz andere, rundete der Herrgott ab. Aber du wirst geliebt, und meine Geduld ist unerschöpflich. Ich wünsche dir eine gute Nacht.
    Gute Nacht, sagte Gunnar Barbarotti, drehte sich auf die Seite und schlief ein.
    Am Donnerstag?
    Der Montag hatte in Kymlinge und Umgebung Regen im Angebot. Als er zwei Teenager in zwei verschiedenen Schulen abgeliefert hatte (der dritte durfte ausschlafen) und Kurs auf das Polizeipräsidium nahm, fiel es ihm nicht ganz leicht, sich vorzustellen, dass bald Sommer sein würde. Am Freitag war der erste Juni, und die Natur blühte im Großen und Ganzen, wie sie sollte, aber das grauverhangene Wetter, das ihm an diesem speziellen Morgen umgab, und der Regen, der auf das Autodach herabprasselte, schienen eher im November oder Februar beheimatet zu sein.
    Er merkte, dass ihn dies mit einer gewissen Dankbarkeit erfüllte. Der Vorsommer war die Zeit des unverblümten Optimismus, und wenn es etwas gab, womit er momentan herzlich wenig anfangen konnte, dann war es unverblümter Optimismus.
    Und deshalb nur ein fester Glaube. Keine heftigen Ausschläge in irgendeine Richtung; die Kinder brauchten einen Fels, auf dem sie stehen konnten, keinen schwankenden Grund. Wie ging noch dieses Irrengedicht von Fröding? Steh grau, steh grau, steh grau … ?
    Er parkte möglichst nahe am Eingang und eilte im Regen unter das Dach. Winkte am Empfang Sippan und Jörgensen zu und stieg die Treppen in die zweite Etage hinauf.
    Ich werde mich jetzt in meinem Zimmer verbarrikadieren und die nächsten drei Stunden Morinder-Bjarnebo widmen, entschied er. Sonst nichts. Keine Seitenblicke, kein Selbstmitleid, keine Grübeleien. Rote Lampe, schwarzer Kaffee.
    Als Erstes wählte er die Nummer von Ellen Bjarnebos Handy. Sie meldete sich nicht.
    Bei ihrem Festnetzanschluss erging es ihm genauso.
    Nun ja, dachte er. Sie wollte diese Woche zurückkommen, aber an welchem Tag hat sie mir

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