Am Abend des Mordes - Roman
Sofia Pallin. »Ich weiß nichts über Arnold Morinder. Er hieß doch Arnold?«
Barbarotti nickte.
»Wie gesagt. Soweit ich weiß, gibt es keinen Beleg dafür, dass die Geschichte sich wiederholte. So dumm war sie nicht.«
»Haben Sie Ellen Bjarnebo im Laufe der Jahre näher kennengelernt? Ich meine …?«
Sie unterbrach ihn durch nachdrückliches Kopfschütteln. »Überhaupt nicht. Ellen Bjarnebo und ich arbeiteten bei zwei verschiedenen Gelegenheiten zufällig am selben Arbeitsplatz. Privat hatte ich keinen Kontakt zu ihr, weder in ihrer Zeit im Eisenwarengeschäft noch bei der Postbank.«
»Betriebsfeiern?«
»Gab es weder da noch dort. Nein, wenn ich sage, dass ich Respekt vor ihr habe, liegt das nicht daran, dass ich sie kannte … oder kenne. Aber sie war eine Frau, der das Leben nichts geschenkt hatte. Ich finde, dass sie da draußen in Burma tat, was sie tun musste, und sie hat ihre Strafe verbüßt. Außerdem kam sie hierher, nach Kymlinge, als sie aus dem Gefängnis entlassen wurde. Alle wissen, wer sie ist, aber sie beginnt ein neues Leben mit … ja, mit erhobenem Kopf. Was sagt sie denn dazu, dass Sie angefangen haben, wieder in der Sache zu wühlen?«
»Ich habe noch nicht mit ihr gesprochen«, antwortete Barbarotti.
»Warum nicht?«
»Sie ist momentan verreist. Was passierte nach Morinders Verschwinden eigentlich mit ihrem Job?«
Sofia Pallin schien sich ihre Antwort gut zu überlegen. Streckte eine Hand zu den Mäusekörpern aus, zog sie aber wieder zurück.
»Sie wurde 2007 krankheitshalber pensioniert.«
»Sicher, das ist mir bekannt«, entgegnete Barbarotti. »So steht es in den Akten. Aber man gewinnt schon den Eindruck, dass dies mit Morinders Verschwinden zusammenhing, oder etwa nicht?«
Sofia Pallin zuckte mit den Schultern. »Gut möglich. Obwohl ich glaube, dass sie einverstanden war. Sie hatte tatsächlich Rückenprobleme und … na ja, vielleicht hatte sie auch einfach genug. Vergessen Sie nicht, dass sie in den Augen der Polizei und anderer dringend tatverdächtig war. Vor allem in denen anderer.«
»Aber in Ihren nicht?«
»Ich hatte dazu keine Meinung. Habe ich bis heute nicht.«
»Verstehe«, meinte Barbarotti. »Könnte man sagen, dass ein bisschen zu viel Stimmung gegen sie gemacht wurde?«
»So ungefähr«, sagte Sofia Pallin. »Sie weiter dort arbeiten zu lassen, wäre auf Dauer nicht gegangen. Mich wundert allerdings, dass sie nicht weggezogen ist. Ich glaube, ihr Sohn lebt in Stockholm, aber es kann sein, dass sie auch zu ihm nicht viel Kontakt hat. War es nicht so, dass sich nach dem, was auf Burma passiert ist, andere Leute um ihn gekümmert haben?«
»Das ist richtig«, bestätigte Barbarotti. »Wissen Sie etwas über ihn?«
»Nein.«
Barbarotti trank einen Schluck Kaffee und sammelte ein wenig Schweigen an. »Haben Sie mit ihr jemals darüber gesprochen?«, fragte er. »Über ihren Ehemann und was da draußen passiert ist … als sie zum zweiten Mal Kolleginnen wurden?«
Sofia Pallin dachte wieder nach. »Eigentlich nicht. Man hatte das Gefühl, dass sie nicht darüber sprechen wollte, und dann tat man es auch nicht. Ich bereue, dass ich nicht den Mut hatte, mich ihr mehr zu nähern, aber dieser Job war auch sehr vereinzelnd. Man saß in seiner Kabine und bediente seine Kunden, das war’s. Keine gemeinsamen Pausen oder so. Aber ich bereue, dass ich ein wenig feige war.«
»Sie sagen, dass Sie immer noch zu feige waren, als Sie ihr erneut begegneten?«
Sofia Pallin schwieg einige Sekunden.
»Kann sein. Andererseits war es auch ziemlich offensichtlich, dass sie nicht darüber sprechen wollte, was geschehen war. Ellen Bjarnebo besaß eine große Integrität … und besitzt sie noch, nehme ich an. Das war ganz sicher eine Voraussetzung dafür, dass sie ein neues Leben anfangen konnte. Ich erinnere mich, dass ich damals tatsächlich versuchte, mit ihr zu reden, als das mit Morinder losging, aber sie meinte, sie habe keine Lust, darüber zu sprechen.«
»Fanden Sie das merkwürdig?«
»Überhaupt nicht. Außerdem sprach ich sie nur ein einziges Mal darauf an. Wissen Sie, nachdem die Sache allgemein publik geworden war, kam sie höchstens noch zwei oder drei Tage zur Arbeit. Wenn ich mich nicht irre, war sie gerade aus dem Urlaub zurückgekommen und … tja, wurde dann praktisch sofort beurlaubt.«
»Beurlaubt?«
»Sie nannten es so.«
»Verstehe. Wenn wir ein wenig zurückgehen, wie erfuhren Sie, dass Ellen Bjarnebos Lebensgefährte verschwunden war,
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