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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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werden? Warum konnten nicht alle zusammenarbeiten? Miteinander auskommen?
    Vielleicht waren die Männer auch vor dem Krieg Patrouille geritten, aber damals hatte Josephine nichts davon mitbekommen. Sie war vor so vielen Dingen behütet gewesen. Die Frauen hatten ihre eigenen Angelegenheiten gehabt, für die sie zuständig gewesen waren, und die Männer andere. Aber der Krieg hatte alles verändert.
    Einige Minuten später war sie auf dem Weg nach unten. Als sie Daniels Jacke vor seinem Schlafzimmer über dem Geländer hängen sah, beugte sie sich vor, um daran zu riechen, und wünschte sich dann, sie hätte es nicht getan. Sie roch nach Holzrauch und Schießpulver. Am liebsten wäre sie in sein Zimmer gestürmt und hätte ihn zur Rede gestellt, ihn angeschrien. Aber inzwischen war der Arzt zurückgekehrt. Er stand mit seiner Tasche in der Hand im Foyer und sprach mit ihrer Mutter.
    „Wie geht es Otis?“, fragte Mutter ihn gerade. Machte sie sich wirklich Sorgen, fragte Jo sich, oder wollte sie nur ihren Kutscher wiederhaben?
    „Er ist ein kräftiger junger Mann. Ich habe eine Platzwunde an seinem Kopf genäht und denke, er wird bald wieder in Ordnung sein. Zum Glück hatte er keine Schusswunden oder gebrochenen Knochen. Einige der anderen hatten weniger Glück. Aber Sie sollten in den nächsten paar Tagen nicht damit rechnen, dass er Sie irgendwohin fahren kann.“
    „Hat er Ihnen erzählt, was passiert ist?“, fragte Josephine, als sie am Fuß der Treppe angekommen war.
    Der Arzt schüttelte den Kopf. „Nein, aber es ist offensichtlich, dass er zusammengeschlagen wurde, so wie die anderen Männer, die ich gestern Nacht behandelt habe. Wahrscheinlich haben sie Angst, sich mir anzuvertrauen, weil ich weiß bin.“
    „Meinetwegen können wir losfahren, Doktor, wenn Sie so weit sind.“ Jo wollte diesem Haus und ihrer Familie entfliehen.
    „Wollen Sie nicht doch mitkommen, Eugenia?“, bat der Arzt.
    „Heute nicht, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich habe zu viel zu tun. Ein anderes Mal?“
    „Natürlich.“
    Als Josephine allein mit Dr. Hunter in dessen Kutsche saß, beschloss sie, ihn ins Vertrauen zu ziehen. „Ich … ich bin mir nicht absolut sicher, aber ich glaube, Daniel hatte etwas mit der Sache letzte Nacht zu tun. Er ist heute Morgen nicht zum Frühstück erschienen, und gerade habe ich bemerkt, dass seine Jacke nach Rauch stinkt. Seit er aus dem Krieg zurückgekommen ist, ist er so anders … und ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn die Behörden kommen …“
    „Es wird keine Festnahmen geben. Wenn Ihr Bruder dabei war, war er einer von Dutzenden. Unsere jungen Männer sind rastlos und müssen sich erst wieder an das Leben zu Hause gewöhnen. In vielen Fällen stehen sie vor ganz neuen Herausforderungen – plötzlich sind da Frauen, für die sie sorgen müssen, und das ohne Mittel, ohne Geld. Sie sind wütend und haben Angst. Ihre Welt ist auf den Kopf gestellt worden und das gefällt ihnen nicht.“
    „Es gefällt keinem von uns. Aber das ist doch wohl kaum eine Entschuldigung für Gewalt.“
    „Da haben Sie recht. Aber diese jungen Männer sind zusammen durch die Hölle gegangen, haben gemeinsam gekämpft und gelebt. Und deshalb schöpfen sie aus dem, was sie kennen, Kraft – Gewehre und Gewalt. Ihr Bruder ist mitten im Krieg erwachsen geworden. Sein bürgerliches Leben wurde gestört. Das Einfachste ist es, die Schwarzen zu Sündenböcken zu machen und ihnen die Schuld am Krieg zu geben. Sie sind eine bequeme Zielscheibe, weil sie keine Macht haben und verwundbar sind. Ich heiße keineswegs gut, was Ihr Bruder und die anderen getan haben, aber ich verstehe, wie es dazu kommen konnte.“
    „Und was ist die Lösung? Wie können wir die Gewalt unterbinden?“
    „Die jungen Leute brauchen gute Anführer; Männer, die sie respektieren und die ihre Energien in produktivere Richtungen lenken können. Sie werden die Schwarzen nie als ebenbürtig akzeptieren, aber vielleicht können sie zumindest einen Kompromiss mit ihnen schließen und lernen, zusammen zu arbeiten, so wie sie es auf der Plantage der Blakes tun.“
    Wenige Minuten später kam die Kutsche an. Josephine kletterte herunter, während der Doktor den Rollstuhl losband, aber bevor sie hineingingen hielt er sie zurück. „Warten Sie, Josephine. Ich habe Sie genau genommen nicht gebeten, mitzukommen, um Harrison rein physisch zu bewegen, sondern weil Sie ihm guttun.“
    „Ich? Das kann unmöglich stimmen. Um ehrlich zu sein, kann ich

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