Am Anfang eines neuen Tages
Kirche im Norden gesammelt und dem Amt für Freigelassene für bedürftige Familien gespendet. Ich wusste Ihre Größe nicht, deshalb habe ich verschiedene mitgebracht. Vielleicht braucht ja noch jemand in Ihrer Familie Schuhe.“
„Meine Mutter würde uns niemals erlauben, Almosen anzunehmen.“
„Sie muss es ja nicht erfahren.“
„Sie ist nicht blind, Alexander. Sie würde es auf jeden Fall bemerken, wenn ich andere Schuhe trage.“
„Aber Sie brauchen doch neue Schuhe. Würde sie lieber sehen, dass Sie barfuß gehen, als ihren Stolz herunterzuschlucken und ein Geschenk anzunehmen?“
Ja , dachte Josephine. Das würde sie wahrscheinlich.
„Bitte probieren Sie ein Paar an. Nehmen Sie ruhig mehrere, wenn Sie mögen.“
Jo warf einen Blick in die Tasche und sah, dass die Schuhe zwar gebraucht, aber gut verarbeitet und in einem ordentlichen Zustand waren. Und sie brauchte wirklich welche. Genau genommen sogar dringend. Sie wählte ein Paar aus, das aussah, als könnte es ihr passen, und lehnte sich gegen den feuchten Baumstamm, während sie einen Schuh anzog. Er war bequem. Das Gleiche galt für sein Gegenstück. Diese Schuhe würden ihre Füße warm und trocken halten.
„Ich werde mir etwas überlegen, was ich meiner Mutter sagen kann“, sagte sie. „Danke, Alexander. Ich weiß Ihre Freundlichkeit zu schätzen.“ Er entspannte sich und lächelte erleichtert. „Und nur damit Sie es wissen“, fuhr sie fort, „ich gebe Ihnen nicht die Schuld an meinem kaputten Schuh. Die Schuhe waren alt und brüchig. Ich war selbst schuld, weil ich so Hals über Kopf weggerannt bin. Aber trotzdem danke.“
„Sie können gerne mehrere Paare nehmen.“
„Nicht für mich. Aber wenn ich darf, nehme ich noch eines für meine Schwester Mary.“ Sie wühlte in der Tasche und wählte ein Paar schmale, dunkle Schuhe aus, die Marys Größe zu haben schienen.
„Ich kann Ihnen auch noch andere Dinge bringen. Die Kirchen im Norden sind sehr bemüht, dem Süden zu helfen –“
„Nein, bitte tun Sie das nicht. Es wäre zu schwierig zu erklären. Ich glaube, es ist besser, wenn wir unsere Treffen und unsere Freundschaft geheim halten.“ Wieder herrschte unbehagliches Schweigen. Diesmal war es Josephine, die das Wort ergriff, um das Thema zu wechseln. „Was machen die Renovierungsarbeiten an der Schule?“
„Ich befürchte, sie sind im Sumpf der Bürokratie stecken geblieben. Ich muss warten, bis ich Geld für die Baumaterialien habe, und die Mühlen der Regierung mahlen sehr langsam. Eigentlich hatten sie versprochen, sofort neue Schulbücher zu schicken, aber die sind noch nicht eingetroffen.“
„Ich habe eine Art Schule auf unserer Plantage gegründet. Wir haben drei neue Kinder auf White Oak, abgesehen von Lizzies dreien, und ich habe versprochen, sie zu unterrichten, als Gegenleistung dafür, dass sie mir bei der Gartenarbeit helfen. Gestern haben wir angefangen und es hat Spaß gemacht. Sie wollen unbedingt lernen. Und sie sind sehr intelligent.“
„He! Warum kommen Sie nicht in die Stadt und unterrichten alle Kinder?“
„Sie haben doch gesagt, die Schule sei nicht fertig.“
„Noch nicht. Aber wenn die neuen Bücher da sind, könnten Sie vor meinem Büro unterrichten.“
„Meine Mutter würde das niemals erlauben. Sie weiß auch nicht, dass ich die Kinder auf unserer Plantage unterrichte. Aber Roselle hat mir erzählt, dass sie irgendwann Lehrerin werden möchte. Glauben Sie, das ist möglich? Wäre es falsch von mir, sie zu ermutigen?“
„Überhaupt nicht. Ich habe schon von schwarzen Lehrerinnen in anderen Schulen hier im Süden gehört.“
„Gut, dann werde ich sie in ihrem Wunsch bestärken.“ Sie sah zu Alexander auf und der Blick, mit dem er sie ansah, ließ sie schlagartig alles vergessen, was sie hatte sagen wollen.
„Ich bin froh, dass Sie heute hergekommen sind, Josephine. Ich hatte Angst, Sie würden nicht kommen, weil es regnet.“
Sie wandte den Blick ab. Plötzlich fühlte sie sich ganz schüchtern. „Ich habe nur eingewilligt, mich mit Ihnen zu treffen, weil Sie bei unserer letzten Begegnung so viele Fragen aufgeworfen haben, und Sie haben noch nicht alle beantwortet.“
„Ich kenne auch nicht alle Antworten“, sagte er lachend. „Aber fragen Sie nur. Ich werde mir Mühe geben, sie zu Ihrer Zufriedenheit zu beantworten.“
Sie wagte es, ihm einen Blick zuzuwerfen, und sah, dass er lächelte. Josephine fand, dass er nett aussah. Er war zwar nicht so gut aussehend, wie ihr
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