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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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Vater es gewesen war, aber das waren ohnehin nur wenige Männer. Was Alexander attraktiv machte, war nicht sein Aussehen, sondern die ruhige innere Kraft, die er zu besitzen schien, und eine Reife, die über sein Alter hinausging.
    „Also“, begann sie, „ich habe über Ihre Bemerkung nachgedacht, warum Gott meine Gebete nie erhört hat. Sie sagten, wir könnten darüber reden, nachdem ich Zeit zum Nachdenken hatte, wissen Sie noch?“
    „Natürlich. Sind Sie es nicht leid zu stehen, Josephine? Sollen wir uns setzen?“
    „Nein, danke. Der Boden ist viel zu nass.“ Und ihr Herz schlug auf merkwürdige Art und Weise, wenn sie auch nur daran dachte, dicht neben ihm auf einem kleinen Flecken unter dem Baumhaus zu sitzen. „Jedenfalls haben Sie gesagt, Gott könnte meine Gebete nicht erhören, weil er die Sklaven befreien wollte –“
    „Nicht nur die Sklaven. Was ist, wenn Gott auch Sie befreien wollte?“
    „Wie meinen Sie das? Ich bin doch frei. Ich war es schon immer.“
    Er schüttelte ungeduldig den Kopf. „Was meinen Sie, wie Ihr Leben verlaufen wäre, wenn der Süden den Krieg gewonnen hätte? Wenn Ihr Vater nicht gestorben wäre?“
    „Meine Mutter hat neulich erst davon gesprochen, als sie von ihrem Tanzabend erzählt hat. Sie und mein Vater hätten dafür gesorgt, dass Verehrer aus angesehenen, guten Familien mir den Hof gemacht hätten. Ich hätte einen von ihnen geheiratet und wäre Ehefrau und Mutter geworden. Ich wäre vielleicht auf die Plantage meines Mannes gezogen, hätte möglicherweise eine Weile mit meinen Schwiegereltern zusammengelebt. Irgendwann wäre ich Herrin meiner eigenen Plantage geworden.“
    „Und was halten Sie davon? Tut es Ihnen leid, dass es nicht so gekommen ist?“
    „Um ehrlich zu sein bin ich erleichtert. Ich habe zu Mutter gesagt, dass die alte Art der Brautwerbung und die arrangierten Ehen mir jetzt so künstlich erscheinen. Aber ich hätte das alles nicht infrage gestellt, wenn wir nicht den Krieg und alles andere verloren hätten.“
    „Der Krieg hat vieles verändert. Die alten Anforderungen sind fort und Sie – und die ehemaligen Sklaven – sind frei, das zu tun, wozu Gott Sie geschaffen hat, anstatt das, was die anderen von Ihnen verlangen.“
    „Aber Gott hat Frauen dazu geschaffen, Ehefrauen und Mütter zu sein.“
    „Das stimmt, aber Frauen können auch noch andere Rollen übernehmen. Die Quäker glauben an Bildung für Männer und Frauen. Meine zwei verheirateten Schwestern haben öffentlich Reden für die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei gehalten. Was, wenn es bei diesem Krieg auch um Ihre Emanzipation ging und nicht nur um die der Sklaven?“
    Das war die andere Frage, die er aufgeworfen hatte und die sie verfolgte. Was wollte sie mit ihrem Leben, ihrer Zukunft anfangen? Jo erkannte, dass sie die Antwort darauf nicht wusste, weil sie nie die Freiheit gehabt hatte, sich diese Frage überhaupt zu stellen. Alle wichtigen Entscheidungen waren für sie getroffen worden und man hatte erwartet, dass sie den Entscheidungen ihrer Eltern vertraute. Ein anderes Leben hatte sie nie gekannt.
    „Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll“, sagte sie schließlich. „Ich hätte mich damit abgefunden, den Mann zu heiraten, den mein Vater ausgewählt hätte, und jetzt finde ich mich damit ab, nicht zu heiraten. Mir ist klar, dass ich anders bin als andere Mädchen, zu unscheinbar –“
    „Sie sind nicht unscheinbar!“
    Sie legte eine Hand auf seinen feuchten Jackenärmel, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Bitte nicht. Ich war nicht auf Komplimente aus. I-ich muss jetzt gehen. Sonst wird Mutter sich fragen, wo ich gewesen bin und warum meine Haare und mein Kleid nass sind. Danke noch einmal für die Schuhe.“
    „Aber … wir haben uns noch gar nicht zu Ende unterhalten. Wann sehe ich Sie wieder?“
    Sie wollte nie sagen, denn sie wusste, dass sie gar nicht erst hätte herkommen dürfen und überhaupt nicht mit ihm reden sollte. „In einer Woche“, sagte sie.
    „Zur selben Zeit?“
    „Ja, zur selben Zeit am selben Ort.“ Sie eilte davon in den kalten Morgenregen.

Kapitel 24

    Jedes Mal, wenn Josephine mit Alexander Chandler sprach, verbrachte sie den restlichen Tag damit, über seine Worte nachzudenken. Er stellte immer infrage, was sie gelernt hatte, und forderte sie heraus, anders zu denken. Diesmal war es wieder so und seine Worte verfolgten sie, als würde Alexander selbst ihr im Haus hinterhergehen.
    Es regnete den ganzen Tag. Josephine

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