Am Anfang eines neuen Tages
herbekommen?“ Es gab so vieles, was Josephine nicht wusste und lernen wollte.
„Die meisten Leute stellen sie selbst her, Ma’am, aus zerstoßenen Austernschalen.“
„Es gibt Muscheln unten am Fluss, wo wir angeln gehen“, sagte Rufus. „Soll ich Ihnen welche mitbringen, wenn wir das nächste Mal dort sind?
„Ja, bitte. Das wäre wunderbar.“
Willy nahm eine Handvoll toter Blätter und benutzte sie wie eine Bürste, um die Steinbänke abzuwischen. „Und es wäre gut, wenn wir diese Bänke richtig sauber machen würden.“
„Ich werde Lizzie fragen, ob sie weiß, womit man sie schrubben kann.“
Es fing an zu regnen, während sie arbeiteten. Zunächst war es ein leichter, feiner Nieselregen, der niemandem etwas ausmachte. Aber im Laufe des Vormittags begann Josephine zu spüren, wie die Feuchtigkeit ihre Kleider durchdrang, und sie wusste, dass es an der Zeit war, mit der Arbeit aufzuhören – und sei es nur, um nicht den Zorn ihrer Mutter zu erregen. „Das reicht für heute“, sagte sie. „Geht jetzt und wascht euch die Hände. Anschließend treffen wir uns in der Küche zu unserer Lesestunde.“
Josephine eilte ins Haus, lief die Hintertreppe zu ihrem Zimmer hi-nauf, holte die Bücher, die sie den Kindern geben wollte, und dazu eine kleine Schiefertafel zum Schreiben. Auf dem Rückweg blieb sie an der Tür zum Zimmer ihres Bruders stehen. Sollte sie auch einige seiner Bücher ausleihen? Josephine betrat das Zimmer ihrer Brüder nur selten, nicht nur, weil es sie traurig machte, wenn sie an Samuel dachte, sondern auch, um Daniel aus dem Weg zu gehen, weil sie wütend darüber war, was er und seine Freunde getan hatten. Aber Daniel war mit Otis auf dem Weg nach Richmond. Sie drehte den Türknauf und trat ein.
Im Zimmer hing ein Duft, der sie an Samuel erinnerte, so wie der Duft von Tabak und Leder im Arbeitszimmer unten sie an Daddy erinnerte. Samuel war viel älter gewesen als Josephine und war ihr immer wie ein erwachsener Mann erschienen. Aber als sie den Schatz aus Büchern und anderen Dingen auf den Regalen betrachtete – Vogelnester und Pfeilspitzen und der Schädel eines Murmeltiers – sah sie ihren Bruder als den neugierigen Jungen, der er früher einmal gewesen war. Sein Leben war viel zu kurz gewesen, sein Tod eine solche Verschwendung. Und jetzt verschwendeten Daniel und Harrison, deren Leben verschont worden waren, ihre mit Bitterkeit und Hass.
Sie wählte zwei Bücher ihres Bruders aus, die sie den schwarzen Kindern heute zeigen wollte – eines mit Bildern von Insekten, das andere mit den in von Virginia beheimateten Pflanzen – und eilte wieder hinunter, um ihre erste Schulstunde abzuhalten. Es regnete jetzt kräftig, deshalb versteckte sie die Bücher unter ihrer Schürze, als sie von der Hintertür zur Küche lief. Die Kinder warteten schon auf sie und saßen in einem Halbkreis auf dem Boden vor einem leeren Stuhl, der für sie bestimmt war. Lizzies Jungen hielten ihre Bücher auf dem Schoß, und als Jack sie sah, streckte er die Hände aus, um ihr zu zeigen, dass sie sauber waren.
„Das ist gut, Jack. Du hast sie schön gründlich gewaschen.“ Sie setzte sich und war plötzlich nervös, und das nicht nur, weil ihre Mutter wütend werden würde, wenn sie herausfand, was sie hier tat. Josephine hatte im Laufe der Jahre einige Lehrerinnen gehabt, aber was wusste ein verwöhntes reiches Mädchen wie sie schon über den Schulunterricht? Die Fächer, in denen sie unterrichtet worden war, unterschieden sich sehr von dem, was diese Kinder lernen mussten. Sie warf Lizzie, die sich mit Roselle und dem neuen Dienstmädchen Clara am Ofen zu schaffen machte, einen Blick zu und räusperte sich dann.
„Ich wünschte, ich wüsste einen besseren Ort, an dem wir lernen können“, sagte sie, „damit wir dich nicht stören, während du zu arbeiten versuchst, Lizzie.“
„Das macht nichts, Missy Jo. Vielleicht kann ich auch etwas lernen. Roselle, setz dich und hör zu. Wenn Miz Eugenia die Glocke läutet, gehe ich.“ Roselle ließ ihre Arbeit gerne liegen und setzte sich zu den anderen Kindern.
„Wir fangen mit dem Alphabet an“, sagte Josephine. „Habt ihr das alle schon gelernt?“
Nach einem unsicheren Anfang ging Josephine bald in ihrer Arbeit auf und sie staunte, wie viel die Kinder bereits wussten. Sie probierte ein paar einfache Rechenaufgaben aus, die sie mit Kreide auf die Tafel schrieb, und entdeckte, dass Rufus sehr gut mit Zahlen umgehen konnte. Aber die Bücher
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