Am Anfang eines neuen Tages
Haus gelebt hatte, in all den Stunden, die sie mit ihm verbracht hatte, hatte Jo ihn nicht ein einziges Mal lachen gehört. Sie rechnete damit, dass seine Mutter auf die Veranda gerannt kommen würde, um zu sehen, woher das ungewohnte Geräusch kam oder wer der fröhliche Besucher war. Es konnte schließlich kaum Harrison sein, der da lachte. Doch er war es.
„Du bist wirklich einmalig!“, sagte er kopfschüttelnd.
„Beantwortest du nun meine Frage?“
„Klar. Ich werde sie beantworten. Leider glaube ich immer noch an Gott. Ich glaube, dass er den Yankees erlaubt hat, mein Bein in die Luft zu jagen, und zwar als Strafe für meine Sünden. Er hat mich in einen zerquetschten, grotesken Krüppel verwandelt, um mich zu quälen und zu bestrafen.“
Sie konnte nicht antworten. Alexander sagte, Leid sei keine Strafe Gottes. War das nicht die Lektion aus dem Buch Hiob?
„Ich habe versucht, Schluss zu machen und die Abkürzung zur Hölle zu nehmen“, fuhr Harrison fort, „aber Gott hat dich und diesen dummen Yankee geschickt, um mich daran zu hindern. Ihr beide seid ein schönes Paar Höllenboten, nur zu dem Zweck gesandt, um mich noch ein bisschen länger hier auf der Erde zu quälen und zu bestrafen. Ich nehme an, der Preis für meine Sünden ist noch nicht ganz bezahlt.“
Josephine hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte.
„Habe ich dich schockiert? Willst du mich nicht fragen, was meine unverzeihlichen Sünden sind?“
„Das geht mich nichts an.“
„Ah! Aber für den Rest meines elenden Lebens fühlst du dich zuständig! Warum denn, du kleine Heuchlerin?“
„Ich bin keine Heuchlerin. Ein Heuchler ist jemand, der behauptet, Glauben zu haben, aber ein ganz anderes Leben führt. Du hast mir nicht zugehört, Harrison. Ich sagte, ich glaube nicht mehr an die Art Gott, von der sie uns in der Kirche erzählt haben, der immer da ist, um unsere Gebete zu hören und –“ Sie verstummte. Wenn das, was Alexander sagte, stimmte, wenn Gott bessere Gründe hatte, ihre Gebete nicht zu erhören, wenn er gewollt hätte, dass die Sklaven befreit wurden, dass sie befreit wurde, konnte sie dann anfangen, ihm wieder zu vertrauen?
„Und was?“ Er wartete darauf, dass sie den Satz beendete.
„Egal. Ich werde dir jetzt deinen Wunsch erfüllen. Ich werde hineingehen und dich in Ruhe lassen.“ Und das tat sie.
Aber Harrisons Worte verfolgten sie. Hatte Gott ihn wirklich zu einem Krüppel gemacht, um ihn zu bestrafen?
Als Josephine am folgenden Dienstag Alexander unter dem Baumhaus traf, fragte sie ihn sofort danach. „Sie haben gesagt, das Buch Hiob beweise, dass Leid keine Strafe ist. Aber bedeutet das, dass Gott Menschen nie für ihre Sünden bestraft?“
„Nein, das Buch Hiob zeigt, dass selbst gute Menschen manchmal leiden, und zwar aus Gründen, die nur Gott sieht … Sollen wir uns setzen, Josephine? Heute müssen wir nicht stehen bleiben. Es regnet nicht.“
Bei dem Gedanken, neben ihm zu sitzen, schlug ihr Herz schneller. „Nein, danke. Mein Rock würde ganz schmutzig werden.“
„Nächstes Mal bringe ich eine Decke oder etwas anderes mit, worauf wir sitzen können. Ich hätte daran denken sollen, tut mir leid.“ Sein Lächeln war entwaffnend. Es schien aus einer Quelle in seinem tiefsten Innern zu kommen und war so ganz anders als ein Lächeln, das nur gesellschaftlichen Gepflogenheiten folgte. Sie blieben unter dem Baumhaus stehen, so dicht beieinander wie letztes Mal, obwohl es diesmal nicht regnete.
„Bitte fahren Sie fort“, sagte Josephine. „Ich will die Sache mit Hiob und dem Leiden verstehen.“
„Wenn wir glauben, dass Gott gut ist, dann können wir darauf vertrauen, dass es letzten Endes zu unserem Besten ist, wenn er Leid in unser Leben bringt oder unsere Gebete nicht erhört.“
„Harrison glaubt, dass er sein Bein verloren hat, weil Gott ihn bestrafen wollte. Könnte das stimmen?“
Alexander zog eine Schulter hoch, als wollte er sagen, dass es auf diese Frage keine einfache Antwort gab. „Manchmal ist unser Leid eine Folge unserer eigenen Entscheidungen, weil wir unseren eigenen Weg gegangen sind und uns gegen Gott zur Wehr gesetzt haben. Dass er sein Bein verloren hat, könnte die Folge dessen sein, dass Harrison beschlossen hat zu kämpfen, und nicht eine Strafe. Gott freut sich nicht an unserem Leid.“
„Warum lässt er es dann zu?“
„Manchmal ist es seine Art, uns zu ihm zurückzuholen. Gott hat den Krieg benutzt, um mich wieder näher zu sich zu ziehen. Auf dem
Weitere Kostenlose Bücher