Am Anfang eines neuen Tages
sich um das Pferd kümmerte, das Zaumzeug entfernte und es gründlich abrieb, bevor er das Tier in seine Box brachte. Er beendete seine Arbeit sehr sorgfältig, während Lizzies eiserner Topf in der Küche wartete, aber es war ihr egal.
„Ihr Jungs, nehmt euch einen Lappen und helft mir, den Staub von der Kutsche zu wischen“, sagte Otis. „Ich mache mir um dieses Gespann Sorgen, seit wir von hier losgefahren sind. Gott weiß, wie viel Mühe ich in Richmond hatte, damit Massa Philips Pferd und Wagen nicht gestohlen wurden.“ Otis arbeitete, als würde der Massa herauskommen und ihn anbrüllen, wenn er es nicht täte. Lizzie fragte sich, warum Otis sich so anstrengte. Massa und alle seine Söhne waren nicht mehr da und Miz Eugenia würde nie einen Fuß in diesen alten Stall setzen.
„Alle sagen, dass der Krieg vorbei ist und wir keine Sklaven mehr sind“, sagte Lizzie, während sie ihm bei der Arbeit zusah. „Stimmt das?“
„Ja, das stimmt, Lizzie. Ich habe eine Menge Leute gehört, die in Richmond darüber geredet haben. Die Yankees haben gewonnen und die Weißen müssen uns Sklaven alle freilassen.“
„Mich auch, Papa?“
„Uns alle, Jack.“
„Wir haben dasselbe gehört“, sagte Lizzie, „aber hier weiß keiner, was das bedeutet. Saul und ein paar von den anderen glauben, dass wir jetzt in dem großen Haus wohnen können und die Missus ausziehen muss. Er sagt, wir bekommen alles.“ Lizzie würde es nicht einmal im Traum wagen, in dem Herrenhaus zu wohnen, obwohl sie jeden Zentimeter davon kannte, im Ober- wie im Untergeschoss. Ihre Hütte in der Sklavensiedlung war das einzige Zuhause, das sie kannte. Otis lachte laut über Sauls alberne Vorstellung.
„Das stimmt mit Sicherheit nicht! Die Sachen gehören immer noch den Weißen, nur wir nicht. Uns besitzen sie nicht mehr. Wir können White Oak verlassen und gehen, wohin wir wollen.“
„Überallhin? Wie kann das sein?“ Lizzie setzte sich auf ein umgedrehtes Fass, während sie versuchte, das alles zu verstehen. „Wir können gehen … wann immer wir wollen?“
„Ja, Lizzie! Die Tür steht für uns alle jetzt weit offen.“
„Aber wo sollen wir denn hin? Wir bräuchten doch Essen und ein Dach über dem Kopf für die Nacht. Und was würden wir den ganzen Tag machen?“
Otis antwortete nicht sofort. „Also ... ich habe viel darüber nachgedacht. Der Krieg war für die Weißen nicht einfach und ihnen geht es genauso schlecht wie uns. Die Menschen in Richmond verhungern, Lizzie. Ich habe gesehen, wie Miz Eugenia für ihr Essen angestanden hat, so wie wir es jeden Monat bei dem Aufseher getan haben, weil sie und die Missys nichts mehr zu essen hatten. Die Plantagen in der Gegend sind alle zerstört und verwüstet, die Sklaven sind wer weiß wohin gegangen. Dies ist das einzige Zuhause, das wir haben, und wir müssen drei Kinder ernähren. Ich weiß, dass wir hier viel arbeiten müssen, aber Massa war nie gemein zu uns.“
„Massa ist tot.“
„Ich weiß, ich weiß …“
„Willst du damit sagen, wir sollen hierbleiben? Und weiter hier arbeiten, obwohl wir einfach so und für immer gehen könnten?“
„Na ja … ich glaube –“
Die Essensglocke vor der Küchentür unterbrach ihn, dabei war es noch nicht einmal annähernd Zeit fürs Abendessen. Lizzie sprang auf. „Was soll ich tun? Muss ich gehen und nachsehen, was sie will?“
„Du solltest besser gehen, Lizzie. Jedenfalls vorerst.“ Aber Lizzie schlang erst noch einmal die Arme um ihren Mann und umarmte ihn, bevor sie ging.
Cissy läutete so wild, dass Lizzie sich die Ohren zuhalten musste, als sie näher kam. „Warum machst du denn so einen Lärm? Ist ein Feuer ausgebrochen?“
„Miz Eugenia ruft alle Haussklaven zusammen. Sie will mit uns reden.“
Dolly kam aus der Küche, einem Extragebäude hinter dem großen Haus, das durch einen hölzernen Weg damit verbunden war. Die Weißen wollten warme Mahlzeiten, aber sie wollten nicht, dass ihre Zimmer im Sommer warm wurden, also hatten sie die Küche draußen gebaut.
„Otis sagt, es stimmt – wir sind frei“, flüsterte Lizzie den beiden anderen Frauen zu, als sie hineingingen, „und wir müssen überhaupt nicht mehr machen, was sie sagt.“
„Aber wir hören uns besser an, was sie will“, sagte Cissy kopfschüttelnd.
Miz Eugenia wartete im Speisezimmer auf sie, das Kinn in die Höhe gereckt wie immer. Die anderen Haussklaven standen alle in einer Reihe da wie Soldaten und warteten, nur Lizzies Tochter Roselle
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