Am Anfang eines neuen Tages
sah zum Fenster hinaus, als wäre es ihr völlig egal, was Miz Eugenia zu sagen hatte. Das Mädchen träumte wahrscheinlich wieder einmal von einem Märchen mit Happy End. Lizzie ging zu ihr und stieß sie mit dem Ellbogen an. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst auf den Boden schauen, wenn Missus spricht?“, flüsterte sie. „Jetzt pass auf.“ Sie benahmen sich besser wie immer, bis sie mit Sicherheit wussten, dass sie es nicht mehr mussten.
„Wir sind aus Richmond nach Hause gekommen und werden jetzt hierbleiben“, fing Miz Eugenia an. „Wir haben Lebensmittel mitgebracht, aber sie waren schwierig zu beschaffen, also versucht bitte, lange damit auszukommen.“
Lizzie dachte an das, was Otis gesagt hatte, dass die Missus für dieses Essen hatte Schlange stehen müssen. Konnte es wirklich wahr sein? Miz Eugenia zeigte auf den Esstisch. Die schöne, polierte Tischplatte war verkratzt und mit Zigarrenbrandlöchern übersät. So hatte er eindeutig nicht ausgesehen, als sie abgereist war.
„Was ist hier passiert? Kannst du es mir erklären, Lizzie?“
„Nachdem Sie weg waren, sind Yankeesoldaten gekommen und haben eine Zeit lang hier gewohnt. Sie sind durch das ganze Haus gelaufen und durch die Scheune und den Rübenkeller und haben nach etwas zu essen gesucht. Gut, dass Sie uns gesagt hatten, wir sollten die Lebensmittel verstecken, sonst hätten sie alles genommen.“
„Das ist keine Antwort auf meine Frage. Was ist mit meinem Tisch geschehen?“
„Die Yankees waren hier in diesem Zimmer, Ma’am“, sagte Lizzie. „Sie haben hier mit ihren Papieren und Karten und Zigarren und dreckigen Stiefeln gesessen und den Tisch benutzt, als gehörte er ihnen. Und sie haben nicht aufgepasst. Sie waren im ganzen Haus und geschlafen haben sie –“
„Stopp!“ Miz Eugenia hob beide Hände. „Ich will nicht wissen, wo sie geschlafen haben. Ich habe nicht die Absicht, mich mit diesem Bild vor Augen ins Bett zu legen. Habt ihr alles gründlich gewaschen, nachdem die Männer abgezogen waren?“
„Ja, Ma’am.“
„Warum fehlen hier so viele Dinge, zum Beispiel meine schönen Teppiche?“
„Die Yankees haben Ihre Teppiche und Ihre Gemälde und eine Menge anderer Sachen gestohlen.“
„Haben sie das?“
Lizzie erkannte an dem Tonfall ihrer Stimme und den hochgezogenen Augenbrauen, dass Miz Eugenia sich in Wirklichkeit fragte, ob die Sklaven vielleicht all diese Dinge gestohlen hatten. Das machte Lizzie furchtbar wütend. Hatte Otis nicht gesagt, dass sie jetzt frei waren? Lizzie fand ein winziges Samenkorn Mut tief in ihrem Innern, dort ausgesät durch die gute Nachricht von ihrer Freiheit, und sie sagte: „Sie können in unsere Hütten gehen und selbst nachsehen, Ma’am, wenn Sie glauben, dass wir Ihre Dinge gestohlen haben. Aber nachdem Sie weg waren, haben wir die ganze Zeit damit zugebracht, den Küchengarten anzulegen, damit wir genug zu essen haben.“
„Wie lange waren die Yankees hier?“
„Ein paar Tage. Vielleicht auch eine Woche oder zwei.“
„Was denn nun?“
Lizzies aufkeimender Mut wurde ein bisschen größer. „Sklaven achten nicht auf die Zeit, Ma’am, weil jeder Tag genau gleich ist.“ Sie wagte es, zu Miz Eugenia aufzublicken, und erkannte an ihrer Haltung und daran, wie sie ihre dünnen Lippen spitzte, dass sie bald mit ihrer Geduld am Ende sein würde. Und dann würde es Ärger geben.
„Wir müssen eine Einigung erzielen, was die Arbeit betrifft“, sagte die Missus schließlich. „Ich nehme an, ihr wisst, dass ihr frei seid und gehen könnt. Wir dürfen euch nicht mehr besitzen. Aber wenn ihr euch dafür entscheidet, hierzubleiben und mein Essen zu essen, dann erwarte ich, dass ihr genauso für mich arbeitet wie vor dem Krieg. Das Gleiche gilt für alle meine Feldarbeiter, und das könnt ihr ihnen von mir sagen.“
„Die meisten von ihnen sind schon gegangen, Ma’am“, sagte Lizzie. Miz Eugenia ignorierte sie.
„Wenn ihr beschließt, nicht für mich zu arbeiten, dann müsst ihr mein Grundstück verlassen. Ich werde euch eine Woche geben, um auszuziehen – aber bis dahin erwarte ich, dass ihr wie sonst weiterarbeitet.“
So viel zur Freiheit. Miz Eugenia herrschte immer noch über ihren Haushalt und kommandierte alle herum, wie immer. Aber wenigstens war die Tür jetzt offen und sie konnten gehen, wenn sie wollten.
„Ida May, ich könnte Hilfe beim Auspacken der Sachen gebrauchen“, fuhr Miz Eugenia fort. „Roselle, sieh nach, ob Josephine und Mary
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