Am Anfang eines neuen Tages
Schlachtfeld beten die Menschen mehr als in der Kirche.“
„Aber wenn das stimmt, dann müsste ich ja glauben, dass Daddys Tod gut war, genau wie das, was meine Familie und ich im Krieg erlitten haben, und die Tatsache, dass wir beinahe alles, was wir hatten, verloren haben.“
„Sie werden nie mit Sicherheit wissen, wie Ihr Leben verlaufen wäre, wenn es den Krieg nicht gegeben hätte. Das Leid gehört zum Leben in einer zerbrochenen Welt dazu. Ihr Vater hätte anders sterben können. Ihre Familie hätte vielleicht ihren Wohlstand bei einem anderen Unglück verloren. Wir irren uns, wenn wir erwarten, dass unser Leben diesseits des Himmels vollkommen sein kann. Und es ist nicht richtig, wenn Eltern ihre Kinder zu sehr behüten und sie in dem Glauben lassen, das Wichtigste im Leben sei es, glücklich zu sein.“
„Aber wenn wir nicht glücklich sein sollen, warum dann überhaupt leben? Warum dann nicht Schluss machen, so wie Harrison es versucht hat?“
„Weil es einen großen Unterschied zwischen Glücklichsein und Freude gibt. Glück ist äußerlich und kann sich ändern, wenn die Umstände sich ändern. Wenn man zum Beispiel glaubt, dass Geld glücklich macht, und dann all sein Vermögen verliert, dann wird man sehr unglücklich sein. Aber die Freude ist tief in uns drin und hängt nicht von den Umständen ab. Auch arme Menschen können Freude empfinden. Haben Sie mir nicht erzählt, dass einfache Hausarbeiten wie das Unkrautjäten im Garten Sie zufrieden macht?“
„Ja … und meine Mutter macht es wahnsinnig. Sie behauptet, die Arbeit würde meine Hände ruinieren, unter anderem.“
Alexander nahm ihre Hand in die seine und betrachtete sie, bevor er ihr ins Gesicht sah. „Wenn wir uns von Gott entfernen, entfernen wir uns von der Möglichkeit, Freude zu erleben. Freude erwächst nicht aus bestimmten Umständen, sondern kommt von Gott.“
Seine Berührung wärmte ihren ganzen Körper, genau wie der Blick, mit dem er sie ansah. Sie hatte das Gefühl, neben einem lodernden Feuer zu stehen. Ihr Herz fing an zu galoppieren und sie erinnerte sich plötzlich daran, wie ihre Brüder früher auf Daddys Pferden die Allee hinunter um die Wette geritten waren und die Hufe immer schneller gehämmert hatten. So fühlte sich ihr Herz in diesem Moment an. Sie wollte, dass Alexander ihre Hand weiter festhielt, und deshalb zog sie sie fort. Sie zwang sich, den Blick von seinen durchdringenden Augen abzuwenden und stattdessen zum Haus hinüberzusehen.
Und da stand Mary, nur einen Steinwurf entfernt. Sie beobachtete sie.
Wie lange stand sie schon dort? Josephine drehte Alexander den Rücken zu und eilte auf ihre Schwester zu. „Mary! Was machst du hier?“
„Ich habe gesehen, dass du aufgestanden bist und dich angezogen hast. Und neulich habe ich auch mitbekommen, wie du aufgestanden bist. Ich habe mich gefragt, wohin du wohl gehst, also habe ich mich auch angezogen und bin dir gefolgt.“
„Ich brauchte frische Luft und –“
„Du bist hergekommen, um dich mit dem Yankee zu treffen. Ich habe euch zusammen gesehen.“ Jo drehte sich um, aber Alexander und sein Pferd waren verschwunden. Sie hakte sich bei Mary unter und ging auf das Haus zu.
„Du hast mir nachspioniert?“
„Hast du mich deshalb gefragt, ob ich jemanden heiraten würde, der nicht geeignet ist? Und von der Heirat aus Liebe gesprochen? Bist du etwa in ihn verliebt?“ Sie sprach das Wort so verächtlich aus, als wäre Alexander nichts oder sogar weniger als nichts.
„Nein, ich bin nicht verliebt, sei nicht albern! Wir haben uns nur unterhalten.“
„Er hat deine Hand gehalten, Jo.“
„Er hat –“
„Ich habe euch gesehen!“
„Hör zu. Er erklärt mir Dinge über den Krieg, die ich nicht verstehe und –“
„Was weiß ein Yankee denn schon über unsere Seite des Krieges?“
Jo wusste nicht, wo sie anfangen sollte, ihre merkwürdige Freundschaft zu erklären, und sie konnte ihrer Schwester auch nicht erzählen, dass sie ihren Glauben verloren hatte und nicht mehr beten konnte. Mary würde das niemals verstehen. „Wirst du Mutter erzählen, dass du uns gesehen hast?“
„Das kommt darauf an. Wirst du dich weiter hinausschleichen und dich mit ihm treffen?“ Als Josephine zögerte, sagte Mary: „Das darfst du nicht, Jo! Es gehört sich nicht! Die Leute werden denken … ich meine, er ist der Feind und ich habe gesehen, wie er deine Hand gehalten hat. Ich habe gesehen, wie er dich angeschaut hat.“
„Hör auf. Er ist nicht
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