Am Anfang eines neuen Tages
mit Ihnen treffen würde, und jetzt breche ich mein Versprechen.“ Fest entschlossen, diesmal den Weg im Auge zu behalten, blickte sie zurück. Sie würde nicht zulassen, dass Alexander ihre Hand nahm, egal wie warm und stark und wunderbar sie sich anfühlte.
„Haben Sie meinetwegen Schwierigkeiten mit Ihrer Familie bekommen?“
Jo schüttelte den Kopf. „Ich habe Mary dazu überredet, dass sie nichts sagt, aber ich musste ihr versprechen, Sie nicht wiederzusehen.“ Die Morgenluft war still, keine Brise war zu spüren. Sie hörte das Muhen der neuen Kuh im Stall, die darauf wartete, gemolken zu werden, und der Hahn krähte nach Futter.
„Wie ist es Ihnen ergangen, Josephine?“
„Gut, danke.“ Ihre Worte klangen steifer, als sie es beabsichtigt hatte, aber ihre Gefühle waren so durcheinander, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte oder wie sie es sagen sollte. „Wir können nicht länger befreundet sein, Alexander. Ich meine, ich werde Sie immer als Freund betrachten, aber wir können uns nicht mehr treffen. Ich bin heute hergekommen, weil ich Ihnen sagen wollte, dass es nicht daran liegt, dass Sie etwas Falsches gesagt hätten oder ich böse auf Sie wäre, sondern … na ja, weil …“
„Ich ein Yankee bin.“
„Ja. Und ein Mann. Ich weiß nicht, wie es in Ihrer Heimat gehandhabt wird, aber hier im Süden gilt es als unanständig, wenn ein Mann und eine Frau, die nicht verheiratet sind, ohne Aufsicht Zeit miteinander verbringen.“
„Meine Intentionen sind ehrenhaft, das kann ich Ihnen versichern.“
„Ich weiß. Ich mache mir auch keine Sorgen. Aber ich setze meinen Ruf aufs Spiel, indem ich hierherkomme.“ So. Jetzt hatte sie es klar und deutlich gesagt. Außerdem riskierte sie nur noch mehr Verwirrung und Kummer, wenn sie ihn weiter traf, weil ihre Freundschaft nicht sein durfte. Und sie ging das Risiko ein, dass sie noch mehr für ihn empfinden könnte, als sie es jetzt schon tat. „Was haben Sie in der Zwischenzeit getan? Wie geht es mit Ihrer Arbeit voran?“, fragte sie.
„Sie haben sicher gehört, dass ich die Schule wieder geöffnet habe.“
„Ja. Die Kinder waren ganz begeistert. Mir war nicht bewusst, dass das Gebäude schon renoviert ist.“
„Das ist es auch nicht. Aber ich habe beschlossen, den Unterricht draußen abzuhalten, weil das Wetter so schön ist. Es ist nicht ideal, aber es ist besser als nichts.“
„Wieso haben Sie Ihren Plan geändert?“
„Ihr Dienstmädchen Lizzie hat mich angefleht, weiterzumachen – und sie hat recht. Die nächste Generation der Freigelassenen wird nur dann eine bessere Zukunft haben, wenn sie eine Schulbildung bekommt.“
„Roselle hat mir erzählt, dass Sie selbst die Kinder unterrichten.“
„Ich gebe zu, dass ich ein grauenhafter Lehrer bin. Ich habe an die Missionsgesellschaft geschrieben und sie gebeten, Miss Hunt oder jemand anders umgehend herzuschicken, aber das wird wohl ein paar Wochen dauern. Und deshalb habe ich mich gefragt … Besteht vielleicht die Möglichkeit, dass Sie den Unterricht so lange übernehmen? Ich weiß, dass ich Sie schon einmal gefragt habe, und ich verstehe, warum Sie Nein sagen mussten, aber –“
„Daran hat sich nichts geändert.“ Sie blickte wieder den Weg hi-nunter. „Im Gegensatz zu den Frauen, die Sie aus dem Norden kennen, habe ich nicht die Freiheit, zu tun und zu lassen, was ich will. So ist das hier nun einmal. Es tut mir leid.“
„Mir tut es auch leid. Ich habe eine Menge anderer Dinge im Büro zu erledigen und die Arbeit bleibt liegen, während ich mit dem Unterricht beschäftigt bin. Unter anderem muss ich noch einmal nach Richmond. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist es, dafür zu sorgen, dass die Rechte der Freigelassenen gewährleistet sind, deshalb versuche ich eine Untersuchung des gewaltsamen Überfalls, der beiden Morde und des Feuers zu veranlassen. Die Schule gehört der Regierung und die Brandstifter müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“
Josephine wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte den Verdacht, dass Daniel einer der Männer war, die für den Brand verantwortlich waren und auch für den Überfall des Waldlagers. Was er und die anderen getan hatten, war falsch, aber sie wollte nicht, dass die Yankees ihn ins Gefängnis steckten. Konnten sie ihn wegen Mordes vor Gericht stellen? Ihn vielleicht sogar hängen? Was würde dann aus White Oak werden?
Sie sollte nicht hier sein, wurde ihr wieder bewusst. Sie sollte nicht mit einem Yankee reden. Das
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