Am Anfang eines neuen Tages
entscheiden, welche Veränderungen nötig sind und welche meine alte Welt endgültig auf den Kopf stellen werden?“, fragte sie.
David atmete aus und überlegte einen Moment lang, bevor er antwortete. „Als die Yankees hier einmarschierten und Sie nach Richmond flohen, mussten Sie auch entscheiden, welche Dinge in Ihrem Leben wirklich wertvoll waren und welche Dinge zurückgelassen werden mussten. Jetzt haben Sie die Chance, das noch einmal zu tun.“
„Meine Familie, meine Kinder waren immer das Wichtigste für mich – jetzt wie damals. Deshalb mache ich mir ja auch solche Sorgen darüber, dass Daniel sich seiner Verantwortung nicht stellt. Deshalb versuche ich dafür zu sorgen, dass meine Töchter Ehemänner finden, die sie ernähren und für sie sorgen.“
Wieder schüttelte David den Kopf. „Das ist das alte Denken. Sie sind eine starke, intelligente Frau, die bewiesen hat, dass sie niemanden braucht, der sie versorgt. Sie können selbst entscheiden, was für White Oak gut ist, und Sie können Daniel beibringen, dass seine Einstellung zu den Schwarzen falsch ist. Ihren Töchtern können Sie erlauben, selbst zu denken, anstatt Ehen für sie zu arrangieren – und das ausgerechnet mit jungen Männern, die es völlig in Ordnung finden, Schwarze zu ermorden. Ist das Glück Ihrer Töchter nicht wichtiger als familiäre Beziehungen und Gesellschaftsschichten und die Aufrechterhaltung alter Bündnisse?“
„Veränderungen sind so schwer“, murmelte Eugenia. „Ich habe schon zu viele davon durchgemacht.“
„Ich weiß. Aber manches, was früher so wichtig erschien, ist es einfach nicht wert, dass Sie es in Ihr neues Leben mitschleifen. Es wird Sie nur zurückhalten und belasten. Fragen Sie sich selbst, wofür es sich zu kämpfen lohnt und was es in Gottes Augen wert ist, dass Sie es beibehalten, und lassen Sie den Rest los. Ohne diesen Ballast werden Sie glücklicher und freier sein.“ Er erhob sich, um zu gehen.
Eugenia stand ebenfalls auf, sah ihn bittend an und legte eine Hand auf seinen Arm, um ihn zu überreden. „Könnten Sie bitte mit Daniel reden? Ihn aufhalten, bevor er noch mehr Gewalt anwendet? Sie können es ihm doch so erklären, wie Sie es mir gerade erklärt haben.“
David schüttelte langsam den Kopf. „Er wird mir nicht zuhören.“
„Natürlich wird er das. Warum sollte er nicht?“
„Weil er ein Südstaatenaristokrat ist und ich nicht.“
Kapitel 29
Josephine wälzte sich in ihrem Bett hin und her und konnte nicht einschlafen. Es war eine so schwüle Sommernacht, dass ihre Haut am Laken festklebte und ihr Haar an ihrem verschwitzten Nacken. Sie war immer noch wütend auf Mary und das Geräusch ihres tiefen, sorglosen Schlafs im Bett auf der anderen Seite des Zimmers verstärkte dieses Gefühl nur noch.
Nachdem sie zwei Tage im Bett geblieben war, hatte Josephine keine Tränen mehr, die sie weinen konnte. Sie hatte den Verlust ihrer Freundschaft mit Alexander betrauert und das unvermeidliche Gefängnisurteil einer Ehe mit Harrison Blake. Dr. Hunter hatte erraten, dass sie vor Kummer im Bett blieb und nicht wegen einer Krankheit, aber sie hatte ihm nicht genug vertraut, um ihm den Grund ihres Kummers zu verraten. „Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen“, hatte er gesagt.
Als sie die Hitze endgültig nicht mehr ertragen konnte, packte Josephine ihr Kissen, zog das Moskitonetz von ihrem Bett und ging über den Flur zum Balkon, weil sie hoffte, dass dort ein Lüftchen ging. Von der Veranda drang das leise Murmeln von Männerstimmen zu ihr herauf.
Einen Augenblick lang hatte sie Angst, eine Gruppe vagabundierender Schwarzer sei gekommen, um in ihr Haus einzubrechen und sich für das erlittene Unrecht zu rächen. Weiße Plantagenbesitzer und ihre Familien fürchteten schon lange, dass dies geschehen würde und dass sie in ihren Betten ermordet werden könnten. Jo erinnerte sich daran, welche Angst sie in den chaotischen Wochen gehabt hatte, nachdem ihr Vater in den Krieg gezogen war und ihre Mutter und sie und Mary allein hier zurückgelassen hatte, während die Sklaven in der Überzahl gewesen waren. Aber jetzt war Daniel hier, um sie zu beschützen, und nach einem Moment erkannte sie erleichtert seine Stimme. Jo ließ ihr Kissen und das Moskitonetz leise auf den Boden fallen und stand ganz still, während sie sich anstrengte, die Worte zu verstehen.
„… ihn erschrecken, aber ihm nichts tun –“
„Er lässt sich nicht abschrecken! Das haben wir doch schon
Weitere Kostenlose Bücher