Am Anfang eines neuen Tages
an bin ich allein. Die anderen sind … sie packen ihre Sachen, um wegzugehen.“
„Sie gehen? Warum?“
Lizzie blickte sich um, als hätte sie Angst, jemand könnte sie hören. Sie wirkte schreckhaft und nervös. „Sie haben Angst, Missy Jo. Sie wissen, dass es Massa Daniel und seine Freunde waren, die die Schule angezündet haben, und … und sie wollen nicht mehr hierbleiben.“
„Geht ihr auch, Otis und du?“
„Ich würde ja, Missy Jo. Um ehrlich zu sein, habe ich genauso viel Angst wie die anderen.“ Sie knetete ihre Hände, als würde sie einen Brotteig kneten, und ihre dunklen Augen waren voller Furcht. „Aber es ist Otis gegenüber nicht fair, wenn wir jetzt gehen. Er hat so fleißig gearbeitet, um diese Baumwolle anzubauen und einen eigenen Garten. Und wir haben drei Kinder, an die wir denken müssen, und noch eins auf dem Weg –“ Sie verstummte und schlug sich die Hand vor den Mund, als hätte sie etwas gesagt, was sie nicht hatte sagen wollen.
Josephine sah sie überrascht an. Ein Baby. Lizzie und Otis erwarteten noch ein Baby. Was für eine Zukunft würden sie und ihre Kinder haben, wenn Daniel und seine Freunde sie weiter terrorisierten? Das Amt für Freigelassene war ihre einzige Hoffnung gewesen und das Büro war jetzt dem Erdboden gleichgemacht.
„Meinst du, es würde helfen, wenn ich mit Clara und Willy und den anderen spreche? Ich kann ihnen sagen, dass Mr Chandler nicht tot ist und dass er wiederkommt. Er hat es mir versprochen. Er kann sie beschützen.“
Lizzie schüttelte so ruckartig den Kopf, als zittere sie. „Sie werden nicht auf Sie hören, Missy Jo, weil …“
Sie beendete den Satz nicht, aber das brauchte sie auch nicht. Josephine war Daniels Schwester. Und sie war weiß. Wieder dachte Jo an die Schulbücher, doch jetzt wusste sie, dass sie keinen der Schwarzen bitten konnte, sie zu holen. Man würde sie beschuldigen, die Bücher gestohlen zu haben. Niemand wollte einen Schwarzen mit einem Buch sehen.
„Lass gut sein, Lizzie. Ich verstehe. Aber bitte glaub mir, wenn ich dir sage, dass du mir vertrauen kannst. Ich bin nicht wie mein Bruder. Ich finde es grauenvoll, was er und die anderen tun. Wann immer du Hilfe brauchst, sag es mir bitte.“
Niedergeschlagen ging Jo zurück in das Haus, in dem sie sich jetzt wie eine Fremde fühlte. Sie war nicht wie ihr Bruder oder ihre Mutter oder irgendjemand anders in dieser Stadt. Sie teilte weder ihre Meinungen noch ihre Überzeugungen. Aber die Dienstboten trauten ihr auch nicht so recht. Wo sollte sie einen Freund finden, einen vertrauten Menschen? Würde diese schreckliche Einsamkeit, die sie jetzt verspürte, zu einem Dauerzustand werden? Sie hatte Alexander gesagt, dass sie ihr Zuhause und ihre Familie nicht verlassen könne, um mit ihm zu gehen, aber jetzt fragte sie sich, ob sie es ertragen konnte zu bleiben.
Kapitel 33
24. Juli 1865
Mehr als eine Woche war seit dem Brand im Amt für Freigelassene vergangen und Eugenia wartete angespannt darauf, dass die Yankees wiederkamen und ihren Sohn verhafteten, was sie mit Sicherheit tun würden. Mit jedem Tag, der verstrich, wuchs ihre Anspannung. Sie sorgte sich um ihren Sohn und ihre Tochter und traute sich nicht, aus dem Haus zu gehen, weil sie Angst hatte, dass jemand von Josephine und dem Yankee erfahren hatte. Das drückende Wetter machte allen zusätzlich zu schaffen und jeder war gereizt.
An diesem Nachmittag schien es sogar noch heißer zu sein als an den Tagen zuvor und auf der Suche nach einem kühlen Ort, an den sie sich setzen konnte, wanderte Eugenia in den Salon, in dem sie ihren Tanzabend gefeiert hatte. Sie öffnete die Terrassentür und tatsächlich schien vom fernen Fluss der Hauch einer Brise heraufzuziehen. Die Terrasse hatte an jenem Abend so schön ausgesehen, aber schon jetzt spross wieder Unkraut zwischen einigen Steinplatten hervor und es gab niemanden, der sich darum kümmerte. Außer Lizzie und Otis und ihren Kindern waren alle Sklaven fort. Eugenia erinnerte sich an den Schock vor einer Woche – zusätzlich zu allem anderen, was sie an diesem schrecklichen Nachmittag erfahren hatte –, als sie nach Willy geschickt hatte, damit er ihre Kutsche holte, und erfahren musste, dass er nicht mehr da war.
„Was ist los?“, hatte sie Lizzie gefragt. „Wo sind die anderen alle?“
„Jetzt sind nur noch Otis und ich da, Ma’am. Die anderen sind gegangen.“
„Warum? Wo sind sie hingegangen?“
„Sie haben Angst, Ma’am. Nach dem Ärger mit
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