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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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er aß. Otis sank neben ihnen auf die Knie und beugte sich dann vornüber, um lautlos zu beten. Es kam Lizzie so vor, als würden Stunden vergehen, während sie krank vor Kummer und Angst wartete.
    „Lizzie … Lizzie … Lizzie …“ Jemand rief ihren Namen. Die Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen, aber als sie aufblickte, stand Missy Josephine in der Küchentür. „Lizzie, was ist los?“, fragte sie, als sie Lizzies Miene sah. Otis hatte ebenfalls den Kopf gehoben. Sein Gesicht war tränenüberströmt. Er erhob sich langsam. „Was ist geschehen?“, fragte Missy Jo wieder.
    Lizzie hatte es Missy Jo nicht sagen wollen, aber die Worte sprudelten alle gleichzeitig hervor. „Sie haben meine Kinder entführt! Meine Babys! Sie halten Roselle und Jack im Wald fest und lassen sie nicht gehen!“
    „Wer, Lizzie?“
    Sie kannte die Antwort. Massa Daniel. Er musste es sein. Niemand sonst hasste sie so sehr. Aber sie hatte Angst, es laut zu sagen.
    „Wir wissen nicht, wer die Männer sind“, sagte Otis. „Aber sie haben unsere Kinder und Rufus haben sie zurückgeschickt, damit er uns holt. Sie sagen, sie wollen nur mit uns reden und sie dann freilassen, aber –“
    „Geht nicht!“, sagte Missy Josephine. „Das ist eine Falle.“
    „Ich weiß, ich weiß … aber wir wissen nicht, was wir sonst tun sollen. Ich habe gebetet, um eine Antwort zu bekommen und –“
    „Und dann bin ich gekommen“, sagte Missy. „Versteht ihr nicht? Gott hat euer Gebet erhört. Ihr müsst hierbleiben, während ich Hilfe hole.“
    „Aber wen, Missy Jo? Wer wird Ihnen helfen? Alle in dieser Stadt hassen uns Schwarze.“
    „Ich will meine Kinder wiederhaben!“, sagte Lizzie. „Bitte, Otis! Bitte lass mich nicht noch länger warten. Ich muss zu ihnen gehen. Bevor die Männer ihnen wehtun.“
    Missy Jo schlug sich die Hand vor den Mund, als müsse sie ihre eigenen Tränen zurückhalten. Sie starrte Lizzie und Otis und Rufus lange an. „Nein, keiner von euch kann gehen. Ihr müsst mir vertrauen und hierbleiben. Ich werde in die Stadt gehen und Dr. Hunter um Hilfe bitten. Er kennt bestimmt noch andere Menschen, die bereit sind, uns zu helfen.“
    „Und wie wollen Sie in die Stadt kommen?“, fragte Otis. „Massa Daniel ist mit dem Pferd nach Richmond geritten.“
    „Ich nehme wieder den Weg durch den Wald, so wie beim letzten Mal. Du kannst mich doch führen, nicht wahr?“
    „Nein, Missy Jo. Nein. Da sind doch die Männer, dort im Wald. Sie werden uns kommen hören und keiner von uns wird durchkommen.“
    „Dann nehme ich die Straße. Das dauert länger, aber ich werde Hilfe holen, Otis, das schwöre ich. Versprich mir, dass du und Lizzie hierbleibt und wartet, bis ich zurück bin. Versucht nicht, Roselle und Jack selbst zu retten. Versprochen?“
    Lizzie konnte nichts sagen.
    Endlich nickte Otis. „Ja, Ma’am. Ich verspreche es. Es ist das Schwerste, was ich je getan habe, aber ich werde warten. Und ich werde für Sie beten.“

Kapitel 35

    Josephine lief zur Küchentür hinaus und um das Haus herum auf die lange geschotterte Auffahrt. Ihr voluminöser Rock behinderte ihre Bewegungen und ihre Beine fühlten sich an, als wären Steine an ihre Knöchel gebunden, während sie die Allee entlang und auf die Straße rannte. Sie hatte keine Zeit, sich Gedanken über die hereinbrechende Nacht oder über die Gefahren auf dem Weg zu machen. So schnell sie konnte, lief sie auf Fairmont zu. Josephine wusste, dass sie ihrer Mutter oder Mary hätte sagen sollen, wohin sie ging, aber sie hatte dem Herzen ihrer Mutter keine zusätzliche Belastung zumuten wollen. Und sie war sich nicht sicher gewesen, ob Mary den Mund halten würde.
    Die Sommernacht war so heiß wie die Küche von White Oak, wenn der Herd an war, und ihre Kleider waren schon bald vom Schweiß völlig durchnässt, sodass der Stoff an ihrer Haut klebte. Wenn sie doch nur schneller laufen könnte! Wenn sie doch nur nicht so oft stehen bleiben müsste, damit sie zu Atem kam und die Seitenstiche nachließen! Das alles dauerte viel zu lang. Es würde über eine Stunde dauern, bis sie Dr. Hunters Haus in der Stadt erreichte – und was, wenn er überhaupt nicht da war? Was sollte sie dann tun? Sie betete – ernsthaft und von Herzen –, dass Otis und Lizzie die Geduld haben würden zu warten und dass die Männer Jack und Roselle nichts antaten. Und sie lief weiter.
    Daniel steckte hinter der Entführung, das wusste Josephine. Wenn er einen Mord planen konnte, dann war er auch

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