Am Anfang eines neuen Tages
hatten schnell den Blick von Harrison abgewandt, unfähig, ihr Entsetzen zu verbergen. Vielleicht war dieser Besuch ein Fehler gewesen.
Oder vielleicht würde Daniel endlich seine Stärke wiederfinden, indem er seinem früheren Captain half. Vielleicht würden ihre Töchter aufhören, sich wie ängstliche Mäuschen zu verhalten, und lernen, Haltung und Anmut zu bewahren. Schüchterne Mädchen zogen selten die besten Ehemänner an und trübsinnige erst recht nicht.
„Hallo, Harrison“, begann Eugenia. „Wir waren sehr froh, als wir hörten, dass du wieder zu Hause bist, und haben beschlossen, dich zu besuchen.“ Sie wandte sich zu seiner Mutter und seiner Verlobten um. „Priscilla, Emma … ihr seid sicherlich froh, ihn zu Hause zu haben. Wir wissen, wie schön es ist, dass wir unseren Daniel wiederhaben.“ Sie führte die Unterhaltung noch mehrere Minuten lang weiter, wobei sie die meiste Zeit redete und von Harrison nur ein gelegentliches Grunzen als Antwort bekam. Seine Mutter und seine Verlobte wirkten ebenfalls ungewohnt still. Eugenia hatte das Gefühl, dass ihr Besuch eine dramatische oder emotionale Szene unterbrochen hatte.
„Kommt, meine Damen“, sagte Eugenia schließlich. „Gehen wir doch in den Salon und unterhalten uns dort, während die Männer sich austauschen.“
Als sie alle im Wohnzimmer saßen, bemerkte Eugenia, dass Harrisons Verlobte den Tränen nahe war. „Es muss sehr schwer sein, den Mann, den du liebst, so krank zu sehen“, sagte Eugenia und legte eine mitfühlende Hand auf Emmas. „Wir müssen beten, dass er wieder zu Kräften kommt.“
„Es ist nicht seine Gesundheit, die mir Sorgen macht, Mrs Weatherly. Harrison ist in so düsterer Stimmung und ich … ich weiß nicht, wie ich ihn aufmuntern soll.“ Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und tupfte sich damit die Augen.
„Daniel ist auch sehr niedergeschlagen. Das ist ganz natürlich, wenn man bedenkt, was sie alles gesehen und erlitten haben. Man stelle sich nur vor, den Krieg zu verlieren, nachdem sie so tapfer gekämpft und einen so hohen Preis bezahlt haben.“
„Harrison sagt schreckliche Dinge zu mir, Dinge, die wehtun. Es ist so, als wollte er mich absichtlich vertreiben“, sagte Emma.
„Ich weiß nicht, was in meinen Sohn gefahren ist, dass er so redet“, fügte Priscilla hinzu. Sie sah zerbrechlich und blass aus, wie eine Blume, die zwischen den Seiten eines schweren Buches getrocknet und gepresst wurde. Ihre Augen waren genauso schmerzerfüllt wie die ihres Sohnes.
„Das ist seine Krankheit“, sagte Eugenia. „Menschen können nicht für das verantwortlich gemacht werden, was sie sagen, wenn sie nicht gesund sind.“ Ihr eigener Sohn sprach selbst kaum und sie fragte sich, was wohl schlimmer war – ein Kind zu haben, das so mürrisch und zurückgezogen war wie Daniel, oder eines, das mit verletzenden Worten um sich warf wie Harrison.
„Hör zu, Emma“, sagte Priscilla. „Was ich vorhin gesagt habe, ist mein Ernst. Wenn du Zweifel hast wegen der Verlobung, dann würde niemand auf der Welt es dir verübeln, wenn du sie löst. Ich am allerwenigsten.“
„Aber ich liebe ihn doch, Mrs Blake. Er hat mir so schöne Briefe geschrieben und mir gesagt, wie sehr er mich liebt und dass er sich darauf freut, nach dem Krieg ein neues Leben mit mir zu beginnen. Ich habe alle diese Briefe aufgehoben und lese sie immer wieder. Ich hatte solche Angst, dass ich ihn nie wiedersehe, und jetzt …“
„Der Krieg verändert die Menschen“, sagte Priscilla. „Keiner von uns ist so wie früher. Und Harrison hat sich am meisten verändert.“
„Wir dürfen nicht aufgeben“, sagte Eugenia. „Wir hatten weiß Gott alle unseren Anteil an Trauer und Kummer zu tragen. Aber wir dürfen uns nicht hängen lassen. Unsere Männer sind darauf angewiesen, dass wir stark sind, jetzt mehr denn je. Ich glaube wirklich, dass wir endlich auf dem Grund dieses tiefen Brunnens angekommen sind und jetzt anfangen können, wieder herauszuklettern. Wir müssen herausklettern.“
„Aber wie?“, fragte Priscilla. „Ich glaube nicht, dass ich die Kraft dazu habe.“
„Dann helfen wir uns gegenseitig. Und vielleicht müssen unsere Männer das auch tun. Daniel vermisst es, abends am Lagerfeuer mit den anderen Männern zu reden. Schließlich sind sie fünf Jahre lang zusammen herumgereist und haben Seite an Seite gekämpft. Ich habe ihm gesagt, er soll einmal alle nach White Oak einladen. Ich habe zwar nichts, was ich ihnen
Weitere Kostenlose Bücher