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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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den Himmel und leuchtete bis zum Horizont hinter den kahlen Baumwollfeldern. Der Mond stand in ihrem Rücken und Otis und sie warfen lange Schatten auf die Straße vor ihnen, während sie gingen. Es dauerte nicht lange, bis sie das Ende des Baumwollfeldes und den Anfang des Waldes erreicht hatten. Lizzie blieb stehen.
    „Ich habe den Wald von Weitem gesehen, als ich auf dem Feld gearbeitet habe, aber ich war noch nie so nah dran.“ Die Äste der Bäume bildeten ein Gewirr und der Boden darunter war mit Gestrüpp und Unkraut und umgestürzten Bäumen überwuchert. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie da durch ihren Weg finden sollten.
    „Hier ist der Weg.“ Otis zeigte auf einen schmalen Pfad, der in den Wald hineinführte. „Saul und ich haben diese Wälder erforscht, als wir Kinder waren – natürlich nur, wenn wir uns davonstehlen konnten.“ Er lachte leise. Wie konnte Otis glückliche Erinnerungen daran haben, wie er an diesem Ort aufgewachsen war, während sie nur Angst empfand?
    Sie gingen hintereinander und Lizzie klammerte sich an Otis’ Hemd. Es dauerte nicht lange, bis sie Stimmen hörte und den schwachen orangefarbenen Schimmer eines Feuers im Wald flackern sah. Lizzie seufzte erleichtert auf, als sie den provisorischen Zeltplatz erreicht hatten und Otis’ Bruder Saul sahen und ein paar andere Sklaven aus der alten Zeit, die um das Feuer saßen. Hinter ihnen waren ein paar Hütten und Unterstände aus alten Brettern und Säcken gebaut worden. Sie hörte einen Bach in der Nähe gurgeln und ein Baby weinte in einer der Hütten. Die Lichtung roch nach Holzrauch und gebratenem Fleisch.
    „Hallo, Otis! Lizzie! Schön, euch zu sehen!“ Saul hieß sie mit Umarmungen und Schulterklopfen willkommen. „Ich habe gehört, dass du mit Miz Eugenia aus Richmond zurückgekommen bist.“
    „Das stimmt, vor beinahe zwei Wochen. Massa Daniel ist auch aus dem Krieg nach Hause gekommen und sie lassen mich ihre Kutsche fahren. Aber niemand spricht davon, Baumwolle anzubauen. Ich habe mich gefragt, wie es euch geht, und wollte selbst nachsehen.“ Jemand rollte einen Baumstamm in den Lichtkreis des Feuers und Lizzie setzte sich dicht neben Otis darauf. Sie lauschte dem Geräusch des Baches und dem Knistern des Feuers, während sie nach den Moskitos schlug, die sich auf ihren nackten Armen und Beinen niederließen.
    „Bleibt ihr hier bei uns?“, fragte Sauls Frau Lizzie. „Wo sind eure Jungs und Roselle?“
    „Sie sind zu Hause in der Hütte. Wir haben uns noch nicht entschieden, ob wir von White Oak weggehen.“ Lizzie sprach den Gedanken nicht aus, aber wie wilde Tiere im Wald zu leben, schien ihr kein Leben für ihre Kinder zu sein. „Warum bist du hierher gezogen?“, fragte sie Saul.
    „Ich habe beschlossen, dass ich jetzt, wo ich ein freier Mann bin, nicht mehr wie ein Sklave leben will und hören, wie jemand mir den ganzen Tag lang sagt, was ich tun soll.“
    „Und was ist, wenn es regnet oder wenn es kälter wird?“, fragte Lizzie.
    „Oder wenn der Mann kommt, dem dieses Land gehört, und euch verjagt?“, fügte Otis hinzu.
    „Bis dahin haben wir unser eigenes Land.“
    „Euer eigenes Land?“, fragte Lizzie. „Wo willst du denn eigenes Land herbekommen?“
    „Es gibt einen neuen Weißen, der nach Fairmont gekommen ist, den hat die Regierung in Washington geschickt. Er hilft uns Schwarzen. Und er sagt, wir haben ein Anrecht auf unsere eigene Farm.“
    „Bist du dir sicher, dass das kein Trick ist?“, fragte Lizzie. Ihr gefiel die Vorstellung, nicht mehr unter Miz Eugenias Fuchtel zu leben, und sie würde zu gerne sehen, wie Otis sein eigenes Land bestellte. Aber ihre Angst vor dem Unbekannten saß zu tief.
    „Nein, das ist kein Trick“, sagte Saul. „Sie nennen es das Amt für Freigelassene und der Mann, der es leitet, ist ein Yankee – dieselben Yankees, die den Krieg gewonnen haben. Er verteilt Essen und Kleider und andere Sachen drüben im Dorf und er sagt, wir bekommen unser eigenes Land.“
    „Und das ist ein Weißer?“, fragte Lizzie.
    „Ja, aber er sagt, er ist hier, um uns zu helfen, auf eigenen Füßen zu stehen und genug zu essen zu bekommen. Sprich mit ihm, Otis. Hör dir an, was er zu sagen hat. Er behauptet, wir können in den Westen gehen, wo es jede Menge Land gibt, und selbst unsere Äcker bestellen.“
    Lizzie sah an der nachdenklichen Art, wie Otis ins Feuer starrte, dass er Sauls Worte auf sich wirken ließ. „Vielleicht können Lizzie und ich mitkommen, wenn du

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