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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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Lizzie jemals gehabt hatte, war ihre Mama und sie war lange vor dem Krieg gestorben. Ihren Vater hatte Lizzie nie gekannt.
    „Warum müssen wir denn nachts gehen?“, fragte sie ihn, um den Augenblick noch etwas hinauszuzögern.
    „Es ist die einzige Zeit, die wir freihaben. Ich möchte meinen Bruder sehen und herausfinden, wie es ihm und den anderen geht“, sagte er. „Ich habe Saul nicht gesehen, seit ich aus Richmond zurückgekommen bin.“
    „Kann ich mitkommen?“, fragte Roselle.
    „Nein“, sagte Lizzie schnell. „Du bleibst hier bei Jack und Rufus.“ Roselle würde es vielleicht gelingen, Otis zu überreden, dass er sie mitnahm, aber Lizzie wollte, dass sie alle zu Hause waren, wo es sicher war. Sie konnte den Gedanken an die Zeit, als Schwarze, die eine Plantage verließen, von Hunden gejagt und mit Peitschenschlägen bestraft wurden, nicht abschütteln.
    „Ich habe meine Freundinnen auch schon lange nicht mehr gesehen“, sagte Roselle schmollend.
    „Die schlafen jetzt sowieso alle – so wie du es auch tun solltest.“
    „Aber das ist ungerecht –“
    „Komm her, Roselle.“ Lizzie zog ihre Tochter in ihre Arme und sprach leise, sodass die Jungen sie nicht hören konnten. „Hör mal zu. Wir gehen heute zum ersten Mal nachts fort, seit … na ja, seit sie gesagt haben, dass wir alle frei sind. Wir werden mal sehen, was passiert, dann kannst du vielleicht beim nächsten Mal mitkommen. Und jetzt sei ein braves Mädchen und tu, was ich sage.“
    Lizzie nahm Otis’ Hand und eilte aus der Hütte, bevor Roselle widersprechen konnte – und bevor Lizzie es sich anders überlegen und zu Otis sagen konnte, er solle allein gehen. Sie musste sich daran gewöhnen, frei zu sein, und dies war ein guter erster Schritt, so klein er auch sein mochte. Die Grillen lärmten, während Otis und sie den kleinen Hang von der Sklavenstraße hinaufgingen und den Hinterhof beim Hühnerhaus überquerten. Lizzie hatte nicht erwartet, eine dunkle Gestalt auf der Hintertreppe des großen Hauses kauern zu sehen, und sie erschrak.
    „Wer ist da?“, rief eine Stimme. Es war die Missy Jo. Es dauerte einen Augenblick, bis Lizzies Herz aus ihrem Hals wieder nach unten gewandert war und sie sprechen konnte.
    „Ich bin es, Lizzie. Otis und ich machen einen Spaziergang. Kann ich was für Sie tun, Missy Jo?“ Lizzie hielt die Luft an und hoffte fast, dass Missy Jo sie tatsächlich brauchte und sie eine Ausrede hatte, zu Hause zu bleiben.
    „Nein … ich genieße nur den schönen Abend. Genießt ihr euren Spaziergang.“
    „Danke, Missy. Das werden wir.“
    „Siehst du?“, flüsterte Otis. „Ich habe dir doch gesagt, dass nichts passiert.“
    „Glaubst du, dass sie uns verrät?“
    „Da gibt es nichts zu verraten. Wir können einen Spaziergang machen, wenn wir wollen.“ Er zog ein wenig an Lizzies Hand und sie gingen weiter, vorbei an den Ställen und die Straße hinunter, die vom Haus wegführte. „Ich kenne eine Abkürzung durch die Baumwollfelder, aber nachts ist es vielleicht zu schwierig, auf dem unebenen Boden zu gehen.“
    „Es ist ganz schön dunkel hier draußen“, sagte Lizzie und umklammerte seinen Arm.
    „Warum bist du so nervös, Lizzie?“
    „Kann ich dir etwas sagen?“
    „Das kannst du immer, das weißt du doch.“
    „Heute … heute ist das erste Mal, dass ich die Plantage verlasse.“
    „Das kann nicht sein.“ Er sah stirnrunzelnd zu ihr hinunter. „Bist du nicht manchmal mit Miz Eugenia gegangen, um Besorgungen zu machen?“
    „Nein, sie hat immer gesagt, dass ich nur eine Feldsklavin bin wie meine Mama, und sie hat immer Ida May oder Cissy mitgenommen.“
    „Das wusste ich nicht. Nächstes Mal müssen wir bei Tageslicht gehen, damit du die Welt besser sehen kannst.“ Sie gingen weiter und ihre Schuhe schlurften über die Erde, sodass kleine Staubwolken aufstoben.
    „Ist es nicht komisch“, fragte Lizzie, „dass etwas, wofür wir unser Leben lang bestraft wurden, so wie die Plantage zu verlassen, plötzlich erlaubt ist? Ich kann mich gar nicht daran gewöhnen.“
    „Beim ersten Mal macht einem alles Angst.“
    „Und wie lange dauert es noch, bis ich mich frei fühle? Bis ich weiß, dass wir jederzeit von hier weggehen können, ohne dass uns jemand jagt und uns zwingt, zurückzukommen?“
    „Das dauert eine Weile, Lizzie. Das steht fest.“
    Sie kamen an das Ende der Allee und bogen auf eine größere Straße ab, die nach Fairmont führte. Ein Teppich aus Sternen erstreckte sich über

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