Am Anfang eines neuen Tages
dann bringen wir sie am Sonntag nach dem Gottesdienst hierher. Nein, keine Widerrede, meine Liebe. Ich lasse mich nicht umstimmen. Wir sehen uns am Sonntag.“ Sie ging zu der wartenden Kutsche, bevor Priscilla protestieren konnte.
Eugenia wartete, bis das Pferd die lange Allee zu ihrem Haus hi-nuntertrottete. Erst dann setzte sie ihre Tochter von ihrer Entscheidung in Kenntnis. „Hör zu, Josephine. Priscilla hat mir heute – unter dem Mantel der Verschwiegenheit natürlich – erzählt, dass sie die Plantage verkaufen und wegziehen muss, wenn sie nicht bald Hilfe bekommt. Es ist ausgesprochen schwierig für sie, mit Harrisons Krankheit fertig zu werden, und mir ist klar geworden, dass sie nicht so stark ist wie wir. Sie braucht unsere Unterstützung und deshalb habe ich ihr angeboten, dass du ihr hilfst.“
„Was? Ich soll ihr helfen? Warum ich?“
Eugenia blickte hinaus in den Wald, anstatt ihre Tochter anzusehen. „Weil du eine sehr gütige, fähige junge Frau bist.“
„Aber ich will mich nicht um Harrison kümmern! Er ist so verbittert und voller Hass! Mary kann es bestätigen, wenn du mir nicht glaubst, aber jede Minute im selben Zimmer mit ihm ist schrecklich! Es macht mir nichts aus, Mrs Blake zu helfen, aber bitte zwing mich nicht, ihn zu pflegen. Bitte, Mutter.“
„Ich habe Priscilla bereits versprochen, dass du ihr bei der Pflege helfen wirst. Es ist nicht für lange, nur bis ihre Situation sich verbessert hat. Ich habe ihr gesagt, dass du am Sonntag gleich nach dem Kirchgang einziehst.“
Josephines Schultern sanken voller Verzweiflung nach vorne. Eugenia widerstand dem Drang, sie an ihre Haltung zu erinnern, und legte stattdessen ihre Hand auf die ihrer Tochter. „Harrison und seine Mutter haben sonst niemanden, Josephine. Ich weiß, dass sie uns bereitwillig helfen würden, wenn die Situation umgekehrt und unser Daniel derjenige wäre, der sein Bein verloren hat.“
Josephine antwortete nicht, aber eine Träne kullerte von ihrem Kinn und fiel auf Eugenias Hand. „Keine Tränen, Liebling“, sagte Eugenia. „Sei jetzt stark. Wir müssen stark sein.“
Kapitel 9
Sobald die Weißen gegangen waren, um ihre Besuche zu machen, band Lizzie ihre Schürze ab, ging hinaus und setzte sich auf der Hintertreppe in die Sonne. Sie war keine Sklavin mehr und musste auch nicht wie eine arbeiten. Außerdem konnte sie die Arbeit von fünf Haussklaven sowieso nicht allein bewältigen, egal, was Miz Eugenia glaubte.
In dem Augenblick, in dem sie sich erschöpft hinsetzte, kam die zerrupfte Horde Hühner herbeigerannt, um zu sehen, ob sie ihnen ein paar Krumen zuwarf, wobei sie sich wie verzogene Bengel gegenseitig schubsten und anrempelten. Die Hennen sahen so zerzaust aus, dass Lizzie nicht viel Arbeit beim Rupfen haben würde, wenn es so weit war, dass sie gekocht werden sollten. Aber solange sie jeden Tag ein oder zwei Eier legten, waren sie vor dem Suppentopf sicher. Sie schienen das zu wissen, denn sie scharrten und legten Eier, als hinge ihr Leben davon ab.
Miz Eugenia jammerte immer, sie wolle mehr Eier haben, aber Lizzie hatte ihr bisher nicht klarmachen können, dass sie die Hennen dafür eine Weile in Ruhe lassen musste. Wenn die Küken erst einmal ausgebrütet und groß geworden waren, würden sie viel mehr Eier haben. „Jetzt müssen Sie darauf verzichten“, hatte sie Miz Eugenia erklärt, „damit es später besser wird.“ Aber die Missus hatte ihr wie immer nicht zugehört.
Lizzie wedelte mit ihrer Schürze, um die kleine Schar zu vertreiben. „Verschwindet. Hört auf, mich zu nerven. Ich habe nichts für euch.“ Sie flatterten mit fliegenden Federn und lautem Gegacker davon, dann machten sie sich wieder daran, auf dem Boden nach Insekten zu suchen. Lizzie schloss die Augen und ließ ihr Gesicht von der Sonne wärmen. Das unbekümmerte Gackern der Hühner klang genauso wie Miz Eugenia und ihre Freunde früher, wenn sie in ihrem Salon gesessen und über das Wetter und wer weiß was geredet hatten. Ab und zu hatte eine der Damen laut losgegackert oder gequiekt und alle anderen damit angesteckt, genau wie bei den Hühnern. Bei dem Gedanken musste Lizzie lächeln.
Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie Otis vom Stall her auf sich zukommen. Er winkte ihr zu und grinste. „Sieh dich mal an – sitzt in der Sonne wie eine freie Frau.“
Lizzie erwiderte sein Lächeln. „Das liegt daran, dass ich eine freie Frau bin.“
Er blieb vor ihr stehen, so groß und breitschultrig, dass er
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