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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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die Sonne verdeckte. „Sind die Ladies weg?“
    „Ja, aber pass besser auf. Massa Daniel ist nicht mitgefahren. Es dauert bestimmt nicht lange, bis er dich sucht.“
    „Ich weiß genau, wo er ist“, sagte Otis lachend. „Er hat mich hergeschickt, damit ich ihm ein Glas Wasser bringe.“
    „Und warum ist das so lustig? Wieso lachst du, wenn er dich zum Botenjungen macht?“
    „Weil der Witz auf seine Kosten geht. Er glaubt, ich wäre sein Botenjunge, sein Wasserträger, aber er ist immer noch im Stall und arbeitet, während ich eine Pause mache.“ Otis setzte sich neben sie auf den Treppenabsatz. „Und ich klaue mir einen Kuss von dem hübschesten Mädchen im ganzen Bezirk.“ Er zog ihr Gesicht näher und küsste sie. Lizzie liebte seinen vertrauten Duft nach Erde und Schweiß. Am liebsten hätte sie den ganzen Tag hier gesessen und ihn geküsst, aber stattdessen löste sie sich von ihm.
    „Damit hörst du jetzt besser auf“, sagte sie und schlug spielerisch mit den Bändern ihrer Schürze nach ihm. „Massa Daniel guckt vielleicht zu, weißt du. Ich gehe und hole dir etwas Wasser.“ Sie stand auf und ging in die Küche, um zwei Krüge zu holen. Massa Daniel würde genauso wenig einen Krug Wasser mit einem Schwarzen teilen, wie er aus dem Schweinetrog trinken würde. Otis folgte ihr und beobachtete sie, während sie sich in der unordentlichen Küche umsah.
    „Siehst du das Durcheinander, das ich aufräumen muss?“, sagte sie. „Ich dachte, frei zu sein wäre besser, aber das ist es nicht. Jetzt bin ich Köchin und Putzmagd und Zimmermädchen und Haushälterin gleichzeitig. Miz Eugenia tut so, als wären wir immer noch zu fünft – sagt mir erst eine Sache und dann, bevor ich damit anfangen kann, brüllt sie schon, ich soll irgendwas anderes machen. Ich kann nicht alles schaffen.“
    „Ich weiß, Lizzie. Ich weiß. Man sollte meinen, der ganze Kummer, den die Weißen hatten, hätte ihre Herzen weicher gemacht und nicht härter.“
    Lizzie wandte sich um und sah ihren Otis an, der da so geduldig stand, ohne eine Sorgenfalte im Gesicht. Sie umarmte ihn und lehnte den Kopf an seine Schulter. Sein Hemd war feucht von Schweiß. „Da beschwere ich mich die ganze Zeit und bin schon genauso schlimm wie die Missus. Wie kommt es, dass du dich nie beklagst, Otis? Und das, obwohl du die Arbeit von fünfzig Sklaven machen sollst.“
    „Es wird nicht mehr lange dauern. Massa Daniel muss irgendwann seinen Stolz herunterschlucken und mehr Arbeiter einstellen.“
    „An manchen Tagen würde ich am liebsten alles stehen und liegen lassen und weggehen und nie mehr zurückkommen. Es muss einen besseren Ort für uns geben als diesen hier.“
    „Du weißt, dass wir nicht gehen können. Solange unsere Kinder die Möglichkeit haben, in die Schule zu gehen, müssen wir hierbleiben. Irgendwann werden wir unser eigenes Haus haben, das verspreche ich dir, Lizzie. Dann kann uns niemand mehr sagen, was wir tun sollen.“
    Lizzie drückte ihn und ließ ihn dann los. Sie trug die beiden Krüge, die sie gefunden hatte, zur Wasserpumpe hinaus und betätigte den Hebel, bis beide Krüge und der Eimer voll waren. „Manchmal ist die Arbeit für Missy und ihre Mädchen so, als hätte es gar keinen Krieg gegeben und nichts hätte sich geändert. Ich fühle mich so, als wäre ich immer noch eine Sklavin und würde es auch immer bleiben.“
    „Es ist hier drin“, sagte Otis und zeigte auf sein Herz. „Hier drin wissen wir, dass wir frei sind. Egal, was die anderen sagen. Wenn die Weißen anfangen, dich zu ärgern, denk einfach daran, dass es nur Worte sind, Lizzie. Halte sie nicht fest, sondern wirf sie zur Hintertür raus wie einen Eimer Schmutzwasser.“
    „Machst du das so, wenn Massa Daniel anfängt, dich schlecht zu behandeln?“
    „Ja, Ma’am, genau so mache ich das.“ Er bückte sich, um die Krüge zu nehmen, und gab ihr einen Kuss auf den Hals. „Bis heute Abend, Lizzie.“
    Sie blickte ihm nach, als er davonzog, und fragte sich, warum ein so sanfter, unkomplizierter Mann sich ein so ängstliches Mädchen wie sie als Frau ausgesucht hatte. Bevor er den Stall erreichte, drehte er sich um und lächelte ihr zu, als wüsste er, dass sie ihn beobachtete. Sie hob die Hand und winkte und ihre Liebe zu ihm schwoll in ihr an, bis sie glaubte, platzen zu müssen. Sie hasste es zu sehen, dass er jeden Tag wie ein Sklave behandelt wurde, überarbeitet war und von oben herab behandelt wurde von Massa Daniel. Otis war genauso gut wie

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