Am Anfang eines neuen Tages
hier, Mutter?“
„Ich hatte gerade auf der Plantage der Blakes eine interessante Unterhaltung.“ Eugenia erklärte ihm, was der Mann von der Regierung gesagt hatte, und wunderte sich überhaupt nicht, als Daniel genauso reagierte wie Harrison.
„Du erwartest von mir, dass ich einem Yankee traue? Einem Mann der Regierung? Niemals! Und den Sklaven können wir auch nicht über den Weg trauen. Sie werden uns in unseren Betten ermorden und alles stehlen, was wir besitzen.“
„Die Schwarzen sind schon jetzt in der Überzahl, Daniel. Sie könnten uns so oder so töten, wenn wir sie alle hungern lassen. Und wenn die Arbeit hier auf der Plantage nicht getan wird, werden wir alle verhungern.“
„Wir müssen zuallererst uns selbst schützen, Mutter. Es gibt schon jetzt ein paar faule Schwarze, die im Wald hausen, und ich mache mir Sorgen um deine Sicherheit.“ Daniel redete immer weiter, als hätte er lange darüber nachgedacht. „Meine Freunde und ich haben beschlossen, dass es an uns liegt, die Sklaven unter Kontrolle zu bekommen.“
„Um das zu besprechen, hast du dich mit deinen Freunden getroffen?“ Eugenia hätte ihn am liebsten an den Schultern gepackt und geschüttelt, aber sie erhob nicht einmal die Stimme. „Ich bin froh, dass du dich mit ihnen zusammensetzt, aber ich hatte gehofft, es würde etwas Produktiveres dabei herauskommen, zum Beispiel bezüglich des Anbaus der Baumwolle. Wäre es für alle Beteiligten nicht besser, wenn du die Sklaven für uns arbeiten ließest, anstatt sie zu verjagen?“
„Wie sollen wir sie denn anstellen? Das können wir uns nicht leisten!“
„Du solltest auf Mr Chandler hören. Es gibt Wege, an das Geld zu kommen, das wir brauchen. Bitte, Daniel.“ Es ging gegen Eugenias Natur, so direkt zu sein und mit ihrem Sohn zu diskutieren. Aber wenn die Entscheidung für Priscillas Plantage richtig war, dann war sie es auch für ihre eigene.
Daniel wandte sich von ihr ab und stapfte zur Stalltür. „Ich bin nicht Vater“, sagte er, ohne sich zu ihr umzudrehen. „Und ich bin auch nicht Samuel.“
„Ich weiß, Liebling. Aber –“
„Ich muss das auf meine Art machen.“
Er ging hinaus und auf das von Unkraut überwucherte Baumwollfeld zu. Eugenia folgte ihm nicht. Stattdessen ging sie langsam zum Haus hinauf, wobei sie ihren schwarzen Rock anhob, damit der Saum nicht im Staub schleifte.
Sie könnte Otis bitten, sie in die Stadt zu fahren. Sie könnte selbst einen Vertrag mit Mr Chandler unterschreiben. Dann würde die Baumwolle gepflanzt und sie würden im Herbst eine Ernte haben, die sie verkaufen konnten. Aber noch als sie darüber nachdachte, spürte Eugenia, wie der Schmerz in ihrer Brust wieder auftrat. Sie musste hineingehen und sich setzen. Sie musste Daniel noch etwas Zeit geben.
Kapitel 12
20. Mai 1865
Lizzie hatte zwei Tage lang versucht, die Anzeichen zu ignorieren. Das Gefühl der Übelkeit in ihrem Magen am Morgen, noch bevor sie aus dem Bett gekrochen war, der Würgereiz, den der Gestank der Bettpfannen bei ihr auslöste, wenn sie sie ausleerte. Dass sie sich den ganzen Tag durch die Gegend schleppte und müde war. Sie hoffte immer noch, sie könnte sich irren, ja, betete, dass sie sich irrte, aber die Wahrheit ließ sich nicht leugnen. Otis war vor einem Monat nach Hause gekommen und jetzt wuchs ein Baby in ihr heran.
Sie sollte sich freuen. Dieses Kind würde frei geboren werden, nicht als Sklave. Es würde ihr und Otis gehören und nicht Miz Eugenia und Massa Daniel. Lizzie würde nie Angst haben müssen, dass ihr dieses Baby entrissen und verkauft wurde. Aber was für eine schreckliche Sache war es, ein Kind in diese Welt zu bringen! Es gab kaum genug zu essen. Schon jetzt lastete mehr Arbeit auf ihren Schultern, als ein Mensch erledigen konnte, vor allem, seitdem Roselle jeden Tag nach der Schule für Miz Eugenias Freundin arbeitete. Ein zusätzliches Kind würde es ihr und Otis noch schwerer machen, von hier wegzugehen und irgendwann ihr eigenes Haus zu haben. Gott wusste, dass Lizzie alle ihre drei Kinder liebte, aber sie wollte nicht noch eines. Trotzdem würde sie ein Baby bekommen, ob sie wollte oder nicht. Als ihr diese Wahrheit bewusst wurde, sank sie auf die Hintertreppe nieder, vergrub das Gesicht in ihrer Schürze und weinte.
Lange bevor sie die Chance gehabt hatte, sich all ihren Kummer von der Seele zu weinen, hörte Lizzie Miz Eugenias Glocke im Salon. Nicht jetzt! Bitte! Lass mich in Ruhe!, stöhnte sie innerlich. Sie
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