Am Anfang eines neuen Tages
ist. Aber bis es Harrison wieder gut geht, ist es so, als wäre er noch im Krieg, Priscilla. Wir müssen alles tun, was nötig ist, um zu überleben und uns wiederzuholen, was wir verloren haben.“
Als Josephine wenige Minuten später in den Salon zurückkam, brachte sie den Arzt mit. „Wir haben noch einen Gast“, sagte sie. „Dr. Hunter.“
„Guten Morgen, meine Damen“, sagte er, während er Jo in den Salon folgte. Er plauderte eine Weile mit Priscilla, dann ging er zu dem Sofa, auf dem Eugenia saß. „Und wie geht es Ihnen, Mrs … ich meine Eugenia?“
„Mir geht es gut, danke. Und Ihnen?“
Er antwortete nicht. Stattdessen schien er sie zu mustern, und so musterte sie ihn ihrerseits. Sein blondes Haar wurde grau und musste über den Ohren geschnitten werden, aber natürlich hatte er keine Frau, die ihn an solche Dinge erinnerte oder sich um ihn kümmerte. Und seine blauen Augen wirkten traurig auf sie, als könnten sie immer noch all die Dinge sehen, deren Zeuge er im Krieg geworden war. Als er endlich sprach, überraschten seine Worte sie. „Sie sehen blass aus, Eugenia.“
Sollte sie ihm von den Anfällen erzählen, die sie gelegentlich hatte? Sie hätte sich gerne auf ihn gestützt und seine Versicherung gehört, dass es nur die Sorge war, die ihre Schmerzen verursachte, und dass sie verschwinden würden, wenn alles wieder seinen normalen Gang ging. Aber dann würde Josephine auch davon hören, und Eugenia wollte nicht, dass ihre Tochter sich Sorgen machte. Sie lächelte den Arzt an und ließ ihre Hand einen Moment lang auf seinem Arm ruhen. „Ich wirke nur neben meiner Tochter blass. Sie besteht darauf, draußen im Garten zu arbeiten, und sehen Sie, wie braun ihre Haut geworden ist?“
Er lächelte nicht. „Ist zu Hause alles in Ordnung?“
„Ja, alles ist gut, David.“ Sie wedelte mit ihrer behandschuhten Rechten, als wollte sie seine Besorgnis wegwischen.
„Gut, das höre ich gerne. Wenn die Damen mich jetzt entschuldigen wollen, werde ich nach Harrison sehen.“
„Zu Hause ist nicht alles in Ordnung, Mutter“, sagte Jo, als der Arzt und Priscilla hinausgegangen waren. „Daniel kann die riesige Plantage nicht führen, wenn er nur Otis als Hilfe hat. Und Lizzie kann auch nicht die ganze Hausarbeit allein erledigen. Daniel muss mit Mr Chandler sprechen und die Arbeiter einstellen, die wir brauchen.“
„Wir können das besprechen, wenn wir unter uns sind“, flüsterte sie. Priscilla kam gerade in den Salon zurück, nachdem sie den Arzt zu Harrisons Zimmer geleitet hatte. Aber Josephine schüttelte den Kopf.
„Ich gebe nicht eher Ruhe, bis du mir versprochen hast, dass du Daniel erzählst, was Mr Chandler uns gerade erklärt hat.“
„Es reicht, Josephine. Wir werden diesen Besuch nicht damit verderben, dass wir uns streiten. Also, meine Lieben – wie kommt ihr beide denn miteinander aus?“
„Jo ist ein Geschenk des Himmels!“, rief Priscilla. Aber als Eugenia und sie anfingen, sich zu unterhalten, stand Josephine auf und verließ leise den Raum.
Auf dem Heimweg schienen Eugenias Gedanken in ihrem Kopf miteinander einen Kampf auszufechten. Einerseits übernahmen Frauen nicht einfach die Führung, es sei denn, ihre Männer waren so krank, wie Harrison es war. Andererseits war Daniel vielleicht nicht verwundet worden, aber irgendetwas in ihm war zerbrochen und er sorgte nicht richtig für die Plantage oder die Bedürfnisse seiner Familie. Sollte sie gegen ihre Erziehung handeln und selbst die Entscheidungen treffen, so wie Josephine und Priscilla es getan hatten? Oder sollte sie Geduld haben und darauf warten, dass Daniel wieder er selbst wurde – und dabei das Risiko eingehen, zu verhungern? Eugenia sehnte sich danach, einen Mann zu haben, an den sie sich wenden konnte, jemanden, der sie rettete. Männer waren stärker als Frauen und wussten immer genau, was zu tun war. Aber als Eugenia an das verdeckt liegende Foto von Philip dachte, sagte eine hartnäckige Stimme ihr, dass es die Männer waren, die beschlossen hatten, den Krieg überhaupt erst zu führen, und die alles verloren hatten.
Als die Kutsche zu Hause eintraf und vor der Veranda hielt, wandte sie sich an den Fahrer. „Nein, fahr mich bitte zum Stall. Ich muss mit meinem Sohn sprechen.“
„Ja, Ma’am.“
Sie entdeckte Daniel im leeren Pferdestall, wo er vor sich hinstarrte und ansonsten, zumindest demnach, was sie erkennen konnte, nichts tat. Er wirkte überrascht, sie zu sehen. „Was machst du denn
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