Am Anfang eines neuen Tages
Mädchen, das wusste Lizzie. Auch wenn sie hübscher war, als ihr guttat.
Lizzie versuchte, sich keine Sorgen über die anderen Dinge zu machen, die sie gehört hatte, während sie das Treppengeländer poliert hatte, aber sie lagen ihr im Magen. Sie konnte nur bis später warten, um Otis davon zu erzählen, was diese Männer vorhatten. Nachdem die Kinder in ihren Betten lagen, zog sie ihn vor ihre Hütte, damit sie reden konnten. Selbst dann flüsterte sie noch.
„Ich habe gehört, wie Massa Daniel und seine Freunde heute davon gesprochen haben, dass sie es waren, die das Lager im Wald zerstört und alle vertrieben haben. Er war einer von ihnen, Otis!“
„Bist du dir sicher?“
„Ich konnte jedes Wort hören, das sie gesagt haben. Sie haben auch davon gesprochen, dass sie etwas unternehmen wollen, um die Schule zu schließen und uns allen Angst einzujagen. Sie haben gesagt, sie wollen nicht, dass unsere Kinder lesen und schreiben lernen.“
„Wir müssen zu Mr Chandler gehen und ihn warnen.“ Selbst im Dunkeln konnte Lizzie die Angst in Otis ’ Gesicht sehen.
„Ich weiß, aber wie? Nachts ist es zu gefährlich, in die Stadt zu gehen. Das ist die andere Sache, über die sie gesprochen haben. Sie fangen an, Nachtwache zu halten, so wie sie es früher getan haben, weißt du noch? Jeder, der nach Einbruch der Dunkelheit auf der Straße ist, wird ausgepeitscht – oder Schlimmeres!“
„Sie dürfen uns nicht daran hindern, irgendwohin zu gehen. Wir sind jetzt frei. Sie haben kein Recht dazu, uns aufzuhalten. Bist du dir sicher, dass du sie richtig verstanden hast?“
„Ich habe jedes Wort gehört und ich weiß, was sie gesagt haben. Das haben sie heute den ganzen Nachmittag in Massa Philips Zimmer gemacht – sie haben Listen mit Männern aufgeschrieben, die nachts die Straßen bewachen können.“
„Das ist schlimm … wir müssen etwas tun …“
„Ich weiß, ich weiß!“ Lizzie rang die Hände, als wollte sie Wasser aus einem Tuch wringen. „Oh, ich wünschte, wir könnten White Oak verlassen und für jemand anderes arbeiten! Und ich wünschte, wir könnten unsere Kinder zur Schule schicken, ohne die ganze Zeit Angst zu haben und darauf zu warten, dass etwas Schlimmes passiert.“
Otis nahm ihre Hände in seine, um sie zu beruhigen. „Wir müssen mit Mr Chandler reden. Vielleicht können wir an diesem Sonntag nach Fairmont gehen, wenn wir frei haben. Glaubst du, er ist dann da?“
„Ich weiß nicht, aber wir müssen es versuchen. Ich will nicht, dass diese weißen Männer die Schule schließen.“
Otis zog sie in seine Arme. „Der Herr weiß, was zu tun ist“, murmelte er. „Er wird es uns zeigen.“ Otis wusste viel mehr über Gott, als Lizzie es tat. Sein Daddy war ein Prediger gewesen, bevor er heimgegangen war, und Sonntagnachmittags hatte er Versammlungen abgehalten. Alle Sklaven hatten sich um ihn geschart, um ihm zuzuhören. Otis’ Glaube schien mit jedem Jahr stärker zu werden, wie die großen Eichen, von denen die Plantage ihren Namen hatte, trotz allem, was er durchgemacht hatte. Sein Traum, das wusste Lizzie, war es, eine eigene Bibel zu besitzen und darin lesen zu können.
Am nächsten Tag lüftete Lizzie die Betttücher, als sie Missy Josephine in der Kutsche der Nachbarn vor dem Haus vorfahren sah. Sie trug ihr Sonntagskleid. Lizzie wartete, bis Missy Jo mit ihrer Mutter und ihrer Schwester gesprochen hatte, dann folgte sie ihr nach oben in ihr Zimmer.
„Kann ich Ihnen bei irgendetwas helfen, Missy Josephine?“
„Ich weiß nicht … wahrscheinlich nicht.“ Sie kramte in ihrem Kleiderschrank, als suchte sie etwas. Als sie es nicht zu finden schien, seufzte sie und setzte sich auf ihre Bettkante. „Kannst du nähen, Lizzie?“
„Nein, Ma’am. Das ist etwas, das ich nicht kann. Dazu brauchen Sie Ida May.“
„Aber Ida May ist fort.“ Sie seufzte wieder. „Ich bin nach Hause gekommen, weil ich etwas zum Anziehen brauche, aber es gibt überhaupt keine Kleider, die mir passen.“
Lizzie mochte Missy Josephine. Sie war nicht halb so hübsch wie ihre Mutter und ihre Schwester, und deshalb lief sie nicht die ganze Zeit mit hochgereckter Nase in der Gegend herum, wie die anderen beiden es taten. Sie war zu Lizzie freundlich gewesen, nachdem die anderen Sklaven gegangen waren, hatte ihr im Garten geholfen und mit ihr geredet. Und Roselle hatte gesagt, dass Missy Jo wirklich nett zu ihr gewesen sei, als sie auf der Plantage der Blakes gearbeitet hatte. Lizzie
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