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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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dem die Jungen Zeit mit ihrem Papa verbringen konnten, aber Lizzie wusste, dass dies sehr wichtig war. Otis hockte sich vor seinen Sohn, sah ihn an und legte die Hände auf seine Schultern.
    „Es tut mir leid, aber deine Mama und ich müssen heute etwas Wichtiges in Fairmont erledigen.“
    „Können wir nicht mitkommen?“, fragte Jack.
    „Heute nicht, aber nächste Woche gehen wir fischen, so Gott will.“
    Lizzie fragte sich, wie er es wagen konnte, Versprechungen zu machen. Niemand kannte die Zukunft. Ihr Leben war wie dieser Ball aus weißem Flaum bei einem Löwenzahn – ein Luftzug und es konnte in alle Winde verstreut werden. Otis konnte nicht wissen, was morgen geschehen würde. Alles konnte sich so schnell ändern. Aber wenn sie ihn fragte, wie er es wagen konnte, über die Zukunft zu sprechen, dann würde er zu ihr sagen, sie solle Gott vertrauen.
    Lizzie war müde, als sie in der Stadt ankamen. Eigentlich sollte dies ihr Ruhetag sein, aber Ruhe bekam sie keine, so viel stand fest. Otis war mit ihr einen Teil des Weges an den Bahnschienen entlanggegangen, um die Straßen zu vermeiden, und auch als sie sich Massa Chandlers quadratischem Gebäude in der Nähe des Bahnhofs näherten, folgten sie immer noch den Schienen. Die Tür zu seinem Büro stand an diesem warmen Frühlingssonntag weit offen und Massa Chandler selbst stand in der Tür, als hätte er auf sie gewartet. Lizzie hatte noch nie die vordere Eingangstür zum Haus eines Weißen benutzt, aber da stand er nun und winkte sie herein. Es kam ihr nicht richtig vor.
    „Ich habe gehört, dass Sie mit mir sprechen wollen“, rief er. „Bitte kommen Sie doch herein.“ Das winzige Büro wirkte noch voller als beim letzten Mal, weil Kisten und Fässer und Kartons sich an jeder freien Stelle türmten. Papierstapel bedeckten seinen Schreibtisch und ein Buch lag aufgeschlagen auf einem der Stapel, als hätte er darin gelesen, bevor sie erschienen waren. „Bitte setzen Sie sich doch“, sagte er und zeigte auf die beiden leeren Stühle.
    Weder Lizzie noch Otis machten Anstalten, sich zu setzen. Es fiel Lizzie diesmal genauso schwer wie bei ihrem letzten Besuch, alles, was sie gelernt hatte, zu vergessen und sich mit einem weißen Mann hinzusetzen. Wahrscheinlich gab es noch viele Dinge, die sie lernen musste, jetzt, wo sie frei war.
    „Bitte setzen Sie sich, ich bestehe darauf“, sagte er. „Sie haben einen weiten Weg hinter sich.“
    Lizzie sah Otis an. Er nickte und sie setzten sich beide, weil sie Angst hatten, einem Weißen nicht zu gehorchen. Aber Lizzie saß ganz vorne auf der Stuhlkante, damit sie jederzeit schnell aufspringen konnte. Sie starrte auf ihre Schuhe, zu nervös, um das Gespräch zu beginnen, und hoffte, dass Otis es tun würde.
    „Danke, dass Sie auf uns gewartet haben, Sir“, fing Otis an. „Wir werden versuchen, unser Anliegen schnell vorzubringen, um Ihre Zeit nicht unnötig in Anspruch zu nehmen. Also, meine Frau hat neulich gehört, wie die Weißen sich über etwas unterhalten haben. Sie wollte nicht lauschen, aber sie hat im Flur gearbeitet und dabei mit angehört, was Massa Daniel und die anderen Männer gesagt haben.“
    „Sie brauchen ihn nicht mehr Massa zu nennen“, sagte Mr Chandler. „Aber fahren Sie fort. Tut mir leid, dass ich Sie unterbrochen habe.“
    „Sie haben Pläne für Nachtwachen gemacht, wie es sie vor dem Krieg gab –“
    „Ich verstehe nicht. Was für Nachtwachen?“
    „Sie haben sich immer abgewechselt und sind nachts mit geladenen Gewehren durch die Straßen geritten, um dafür zu sorgen, dass keiner von uns Sklaven floh. Jetzt, wo wir frei sind, glauben sie, dass wir gefährlich sind, und deshalb wollen sie nicht, dass wir im Dunkeln auf den Straßen herumlaufen. Aus diesem Grund mussten wir auch am Tag zu Ihnen kommen. Wahrscheinlich peitschen sie alle, die sie erwischen, aus.“
    „Das dürfen sie nicht! Das ist gesetzwidrig!“, sagte Mr Chandler mit erhobener Stimme.
    Otis starrte auf seine Schuhe. „Wissen Sie, Sir … so ist das hier nun mal“, sagte er leise.
    „Ich verstehe. Danke, dass Sie mir Bescheid gesagt haben. Ich muss gleich jemanden in Richmond darüber informieren.“ Er sah aus, als wollte er aufspringen und sofort losreiten. Seine Bereitschaft, ihnen zu helfen, machte Lizzie Mut.
    „Das ist noch nicht das Schlimmste“, sagte sie und konnte nur mit Mühe sitzen bleiben. „Die Männer haben auch darüber geredet, dass sie etwas mit der Schule machen wollen, damit sie

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