Am Anfang ist die Ewigkeit
offensichtlich. Und zwar sehr.
Sasha lieà sich ihrem Onkel gegenüber in einen Sessel fallen. »Warum sind Sie hier?«, fragte sie ihn.
»Willst du es ihr lieber sagen, Katya?«
Langsam schüttelte ihre Mutter den Kopf. Sie krallte die Hände so fest in ihren Morgenmantel, dass die Knöchel weià hervortraten.
»Das AuÃenministerium hat deine Mutter fristlos entlassen. Sie wird nach Russland abgeschoben. Sie hat zwei Stunden Zeit, um ihre Sachen zu packen. Dann wird sie von der ICE in Gewahrsam genommen.«
Sasha hatte das Gefühl, im falschen Film zu sein, in einer spiegelverkehrten Welt, in der der Himmel grün und das Wasser rot war â ihr gesamtes Leben war von einer Sekunde auf die andere völlig auf den Kopf gestellt. Alles war total verrückt und verwirrend. »Aber sie ist doch US -amerikanische Staatsbürgerin. Sie darf doch gar nicht abgeschoben werden, oder?«
»Um ehrlich zu sein, hat sie keine Staatsbürgerschaft. Die Vereinigten Staaten haben ihr nur die Einreise und den Aufenthalt gestattet, damit das AuÃenministerium sie wegen ihrer Kontakte zur russischen Regierung einstellen konnte. Die Staatsbürgerschaft durfte sie jedoch nicht annehmen. So viel Vertrauen hatte man nicht zu ihr.«
»Aber sie war doch mit Dad verheiratet. Hätte sie die Staatsbürgerschaft nicht automatisch bekommen müssen?«
»Normalerweise schon, aber in ihrem Fall war das anders. Die Familie deiner Mutter war in Russland ziemlich bekannt. Sie besaà eine Menge Geld und groÃen Einfluss. Die Vereinigten Staaten hatten immer Zweifel an den Motiven für Katyas Flucht. Jemand mit ihrem Vermögen und ihrer Position läuft normalerweise nicht einfach weg.«
»Aber wenn sie ihr nicht vertraut haben, warum haben sie ihr dann eine Stelle im AuÃenministerium gegeben?«
»Weil sie die Mechanismen innerhalb der russischen Regierung kennt und weil sie wichtige Kontakte besitzt, die den USA weiterhelfen. AuÃerdem hatte sie nie Zugang zu irgendwelchen wichtigen Staatsgeheimnissen, die sie den Russen hätte verraten können.«
»Was ist denn passiert, Mum? Warum haben sie dich rausgeschmissen?«
»Wegen Alex Kasamov.« Ihre Stimme klang so leise, dass Sasha sie kaum hören konnte. »Er war noch einmal hier, weil er etwas ganz Bestimmtes haben wollte. Als ich mich geweigert habe, es ihm zu geben, hat er gedroht, mich in Schwierigkeiten zu bringen. Ich habe ihn weggeschickt und ihm gesagt, dass er mir keine Angst einjagen kann. SchlieÃlich hatte ich nichts Falsches getan.«
Sasha wartete, dass ihre Mutter fortfuhr, aber sie saà nur da und weinte.
Tim seufzte. »Kasamov ist ebenfalls ein russischer Agent. Er hat dem AuÃenministerium mitgeteilt, dass Katya selbst ihren Mann verraten hat. Er konnte nicht mal Beweise liefern. Er hat nur irgendwelche Behauptungen aufgestellt und Gerüchte verbreitet, und Katya hat natürlich alles abgestritten. Aber allein die Anklage hat schon für einen Rauswurf gereicht. Und jetzt wird sie abgeschoben.«
Sasha wünschte sich inständig, dass Alex nach Sibirien verbannt und für immer verschwinden würde. Hoffentlich konnte Gott ihr verzeihen, dass sie diesen Mann so sehr hasste. »Mum, was wollte er denn unbedingt von dir haben?«
Ihre Mutter blickte zu ihr auf. »Mein GroÃvater hat in seiner Zeit als Leiter des KGB persönliche Informationen über alle möglichen Leute gesammelt â darunter auch Staatsoberhäupter und andere politische Schlüsselfiguren aus der ganzen Welt. Mein Vater hat diese Tradition während seiner leitenden Stellung im russichen Geheimdienst fortgeführt. Er war ein reicher Mann und hatte viele Bekannte, über die er ständig Informationen sammelte. Er hat ihre privaten Briefe und Notizen kopiert, hat sie in kompromittierenden Situationen fotografieren lassen oder ihre Privatgespräche mitgeschnitten. Für ihn und meinen GroÃvater war das keine Verletzung der Privatsphäre. Sie haben es eher als eine Art Versicherung betrachtet. Gefälligkeiten haben sie es immer genannt. Aber das war bloà ein netteres Wort für Erpressung. Wenn sie irgendetwas brauchten â bestimmte Informationen, den Namen eines Waffenschiebers oder vielleicht auch nur eine Tischreservierung in einem Restaurant in Paris â, haben sie diese Gefälligkeiten eingefordert. Bei seinem Tod hat mein Vater mir
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