Am Anfang ist die Ewigkeit
Sasha ebenfalls fort.
Sie schüttelte jeden Gedanken an die St. Michaelâs ab und gab bei Google aus reiner Neugier »Anabo« ein. Sie bekam jede Menge Treffer, aber nichts, was auf eine Verbindung zu Aurora schlieÃen lieÃ. Als sie »Aurora« und »Eva« in das Suchfeld eintippte, bekam sie mehrere tausend Seiten, die überwiegend auf Escort-Services und Pornoanbieter verwiesen. Sie fügte noch »biblisch« und »Eden« hinzu und entdeckte die Seminararbeit eines Princeton-Studenten, die tatsächlich von der Geschichte Auroras, der Tochter Evas handelte. In den Anmerkungen zitierte er ein Buch eines gewissen Giardna. Dieser Giardna hatte in der Renaissance gelebt und sein Leben lang über biblische Gestalten geschrieben, von denen noch nie jemand gehört hatte, darunter auch Aurora. Er starb bettelarm und unbekannt. Später entdeckte ein Engländer namens Bennington seine Aufzeichnungen und veröffentlichte sie im Jahr 1853.
Anabo war also keine reale Gestalt, existierte aber zumindest als Idee. So musste Alex also darauf gekommen sein. Er hatte die ganze Geschichte nur noch ein bisschen ausgeschmückt und als historische Wahrheit hingestellt. Um daraus eine Art Kult zu machen, hatte er noch den mysteriösen Eryx erfunden und sich einen Haufen verwirrter Jugendlicher gesucht. Aber wieso? War er wahnsinnig? Oder ein kranker Perverser? Was veranlasste einen erwachsenen Mann, mit ein paar Highschool-Kids einen Geheimclub zu gründen?
Sasha schauderte. Unwillkürlich musste sie an die unglaubliche Wut, den Hass der Ravens und an die Steine denken, die Sasha wieder und wieder getroffen hatten.
Sie klappte den Laptop zu, legte sich auf das Bett neben dem Schreibtisch und blickte an die Decke. Noch nie hatte sie sich so einsam gefühlt. Schlagartig wurde ihr das ganze Ausmaà der schrecklichen Ereignisse klar und die Taubheit, die sie wie ein schützender Kokon umgeben hatte, löste sich langsam auf. Sie drehte sich zur Seite und gab es auf, gegen die Tränen anzukämpfen.
»Wie ist es gelaufen? Hast du sie gefunden? Hatte Brody Recht? Ist sie tatsächlich bei den Shrivers?«
Jax hatte gerade das Fernsehzimmer betreten und lieà sich auf das Ledersofa fallen. »Ja, Brody hatte Recht, und ja, ich hab sie gefunden.«
»Und warum bist du dann so mies drauf?« Phoenix beäugte ihn misstrauisch. »Hast du mit ihr geredet?«
»Nein, sie hat mich gar nicht zu Gesicht bekommen. Ich hab mich nur ein wenig bei ihrer Tante und ihrem Onkel umgesehen.«
Phoenix setzte sich auf. »Pass bloà auf, Jax. Wenn sie rauskriegt, dass du ihr heimlich nachspionierst, hast du für alle Zeiten verspielt.«
»Ich machâs auch nicht noch mal. Aber nach allem, was gestern Nacht passiert ist, wollte ich sie nicht gleich überfallen, sondern erst mal herausfinden, wie es ihr geht.«
»Und?«
Jax starrte auf den riesigen Fernseher, auf dem ein Sportsender lief. »Sie hat geweint. Viel geweint.«
»Mädchen weinen ständig. Daran musst du dich einfach gewöhnen.«
»Hat Jane auch viel geweint?«
»Mehr, als ich für möglich gehalten hätte, und aus unterschiedlichen Gründen. Nicht bloÃ, wenn sie traurig war.«
»Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass Sasha traurig war.« Ihr Schluchzen hatte sehr eigenartige Gefühle bei ihm ausgelöst. Er erzählte Phoenix alles, was er im Haus der Shrivers beobachtet hatte, auch was Melanie über die Abschiebung von Sashas Mutter gesagt hatte.
»Deshalb ist sie so überstürzt aufgebrochen.« Phoenix stellte den Fernseher leiser. »Kein Wunder, dass sie geweint hat.«
»Ich weiÃ, es klingt unglaublich, aber ihre Tante und einer ihrer Cousins sind verlorene Seelen.«
»Bist du sicher?«
»Hundertprozentig.« Er legte den Kopf in den Nacken und studierte die griechischen Buchstaben, die sich unterhalb der Zimmerdecke an den Wänden entlangzogen. »AnschlieÃend bin ich noch durch Telluride gezogen und habe nach weiteren verlorenen Seelen gesucht. Zwei habe ich im Café gefunden, beides Jugendliche.« Er machte die Augen zu. »Im Buchladen habe ich dann noch das groÃe Los gezogen.«
»Du hast den Skia gefunden?«
Jax nickte. »Er ist Lehrer an der Highschool.«
»Verdammt.« Phoenix lieà sich mit nachdenklichem Blick wieder zurücksinken. »Direkt vor unserer Haustür. Wie
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