Am Anfang ist die Ewigkeit
Menschen nach seinem Abbild schuf.
Sasha trat einen Schritt zurück und rieb sich den restlichen Schlaf aus den Augen. Woher kam dieser Text blo� Vielleicht gehörte er irgendwie zum Anhang der Seminararbeit dieses Princeton-Studenten und hatte sich automatisch geöffnet. Eine andere Erklärung fiel ihr nicht ein.
Während sie die Treppe hinunterging, dachte sie ununterbrochen an ihr Muttermal, ein winziges, aber kunstvoll geschwungenes A, das von einem Kranz aus Sonnenstrahlen umgeben war. Das Zeichen der Aurora, der Strahlenkranz des Alpha. Existierten diese Anabo vielleicht doch?
In der Küche angekommen, setzte sie sich wortlos an den ovalen Eichentisch. Ihr fiel sofort auf, dass alles sauber war. Kein schmutziges Geschirr, keine M&Ms auf dem FuÃboden. Melanie würdigte sie keines Blickes, sondern huschte geschäftig durch die Küche und stellte eine Schüssel mit Erbsen und einen Brotkorb neben Tims Teller. Er nahm sich ein Brötchen, beschmierte es nachlässig mit Butter und stopfte sich die Hälfte davon in den Mund.
SchlieÃlich setzte sich auch Melanie an den Tisch, ohne jedoch die Treppe aus den Augen zu lassen. »Ich hoffe, dass sie bald runterkommen. Brett mag es nicht, wenn das Essen kalt ist.«
Merkwürdig. Sie machte sich Gedanken darüber, dass Bretts Essen kalt wurde, obwohl es seine eigene Schuld war, wenn er nicht rechtzeitig an den Tisch kam. Sasha musterte ihre Tante und versuchte, irgendeine Verbindung zwischen ihrem Vater und dieser Wahnsinnigen zu erkennen. Wie konnten Geschwister nur so verschieden sein?
Da klingelte es an der Tür. Melanie stand auf und kam wenige Augenblicke später mit einem dunkelhaarigen Mann in die Küche. Mit ihren gefalteten Händen, den rosigen Wangen und den leuchtenden, lebhaften Augen sah sie plötzlich vollkommen verwandelt aus.
»Tim, sieh mal, wer zu Besuch gekommen ist!«
Tim hob den Kopf, nickte kaum wahrnehmbar und nahm sich das nächste Brötchen.
Melanie bot dem Mann einen Stuhl neben Sasha an, aber er zögerte. Seine dunklen Augen wurden ein klein wenig schmaler, als wollte er sie einer genauen Prüfung unterziehen. Sie schauderte und blickte zur Seite.
»Sasha«, sagte Melanie atemlos und mit einem Lächeln, als wäre der Weihnachtsmann persönlich zum Abendessen aufgetaucht, »das ist Emil Bruno, Bretts Geschichtslehrer.«
Mr Bruno ging um den Tisch herum und hinter ihr vorbei, bis er rechts neben ihr stand. Er jagte ihr Angst ein. Nicht so, als könnte er gewalttätig werden, sondern irgendwie düsterer, bedrohlicher.
So wie Alex.
Sasha bekam am ganzen Körper Gänsehaut, während er sich viel zu nah neben sie setzte. Sie fühlte sich schrecklich unwohl und wie aus dem Nichts hörte sie das Vaterunser in ihrem Kopf. Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name . Das war fast genauso unheimlich wie dieser dunkle Mann. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Sie zuckte zusammen, als er mit sanfter, seidiger Stimme und einem kaum wahrnehmbaren Akzent sagte: »Es ist mir eine groÃe Freude, dich kennenzulernen, Sasha. Was für ein hübscher Name. Ich kannte mal eine Sasha, die fast so schön war wie du. Sie hatte jedoch dunkles Haar und war etwas älter.«
Ein Schmeichler, genau wie Alex. Der hatte ihr auch immer Honig um den Mund geschmiert, wie schön, klug und talentiert sie sei. Als Mum ihm einmal ihre Zeichnungen gezeigt hatte, hatte er regelrecht davon geschwärmt. Sie hatte gewusst, dass das alles nur Heuchelei war, und nie begriffen, wieso Mum sein scheinheiliges Gequatsche nicht sofort durchschaut hatte. Erst als er sich nach dem SchlieÃfach zu erkundigen begann und schlieÃlich von ihr verlangte, die Unterlagen herauszugeben, hatte sie ihn endlich in die Wüste geschickt.
Melanie sagte in gedämpftem Tonfall: »Sashas Mutter wurde zurück nach Russland geschickt, aber Sasha durfte sie nicht begleiten. Deshalb haben wir sie jetzt an der Backe, bis â¦Â«
»Das reicht «, unterbrach Tim seine Frau. »Es geht niemanden etwas an, warum Sasha hier ist. Und wir haben sie keineswegs an der Backe. Sie ist unser Gast. Sie gehört zur Familie. Lass sie in Ruhe.«
Melanie lächelte Mr Bruno an. »Wie gesagt, sie ist hier, weil sie sonst keine Angehörigen hat.«
»Angehörige finden wir überall«, erwiderte Mr Bruno. »Die ganze Welt ist
Weitere Kostenlose Bücher