Am Anfang ist die Ewigkeit
worden. Sie ging zum Nachttisch und zog die Schublade auf. Das Plastikrohr war nicht mehr da, genau wie sie befürchtet hatte.
»Sasha, kannst du bitte mal runterkommen? Hier ist Besuch für dich.«
Zitternd und den Tränen nahe stolperte sie über ihre ruinierten Sachen in den Flur und die Treppe hinunter. Ein magerer Junge mit dunklen Haaren und Streberbrille stand unten und lächelte sie an.
»Warum nimmst du Brody nicht einfach mit nach oben? Ich würde euch ja doch bloà auf die Nerven gehen«, sagte Tim, was heiÃen sollte: Ich will in Ruhe fernsehen, also verzieht euch.
»Na klar, Tim.« Sasha wartete, bis er wieder im Wohnzimmer saÃ, dann wandte sie sich an ihren Besucher. »Kennen wir uns?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Jax hat mich geschickt.«
Auf dem Familienporträt in Jaxâ Zimmer hatte niemand so ausgesehen wie er. »Bist du einer seiner Brüder?«, fragte sie ihn.
»Nein, aber ich arbeite für sie. Ich würde dich gern etwas fragen. Hast du vielleicht eine Minute Zeit?«
Er sah zwar wie der gröÃte Langweiler aus, aber irgendetwas an ihm gefiel ihr. Er hatte unglaublich liebevolle Augen und wirkte ruhig und ausgeglichen. Etwas Ruhe konnte sie wirklich gut gebrauchen, doch ihr Vertrauen gegenüber Fremden war momentan etwas eingeschränkt. »Woher soll ich wissen, dass das stimmt?«
Er holte ein Handy aus der Tasche, wählte eine Nummer und reichte es Sasha.
»Geht es ihr gut?«, hörte sie Jax fragen. Sasha blickte ihrem Besucher in die Augen und erwiderte: »Ja, es geht ihr gut.«
»Sasha? Wo ist Brody?«
»Er steht vor mir.«
»Und bei dir ist wirklich alles in Ordnung?« Seine Stimme klang, als hätte er panische Angst um sie.
»Ja, alles okay. Was ist denn los?«
»Das kann Brody dir erzählen. Ich bin bald da.«
Sie legte auf und gab Brody das Handy zurück. »Komm rauf.«
Vor der offenen Tür zu ihrem Zimmer blieb sie stehen. »Vor zwei Stunden sind wir zum Mittagessen gegangen. Als wir vor ein paar Minuten zurückgekommen sind, sah es hier so aus.«
Er warf einen Blick ins Zimmer. »Fehlt irgendetwas?«
»Eine Plastikröhre mit einer Bleistiftzeichnung meiner Mutter, das ist alles.«
Brody trat ein und stieg über die Kleiderfetzen. »Sieht aus, als müsstest du einkaufen gehen.«
Sie schloss die Tür hinter sich, ging zum nächstgelegenen Bett und setzte sich auf die nackte Matratze. Brody lieà sich auf das andere Bett fallen und schob die Brille zurecht. Dann erzählte er ihr eine Geschichte über Eryx und Alex Kasamov und ein Gemälde, das angeblich ihrer Mutter gehörte. »Jax befürchtet, dass ein Skia hier auftauchen und nach dem Bild suchen könnte. Falls du ihm dabei in die Finger gerätst, würde er sicher nicht besonders zimperlich mit dir umspringen, um an das Gemälde heranzukommen.«
»Du meinst ⦠so was wie Folter?« Sie schluckte, warf einen schnellen Blick auf die Gardinenstange und anschlieÃend auf ihren zerstörten Laptop. »Warum sollte mich jemand wegen eines alten Bildes foltern?«
»Eryx ist ganz versessen auf dieses Gemälde. Er will es um jeden Preis in seinen Besitz bringen.«
»Will er es weiterverkaufen?«
»Nein, Geld ist ihm nicht wichtig.« Brody hob einen Papierfetzen vom Boden auf, auf dem ein mit Bleistift gezeichnetes Auge zu sehen war. »Meinst du, dass der oder die Verantwortlichen für dieses Chaos nach dem Gemälde gesucht haben? Irgendwie kommt es mir komisch vor, dass jemand, der etwas sucht, sich die Zeit nimmt, die ganzen Sachen kaputt zu machen.«
»Ich glaube, das war meine Tante. Sie kann mich nicht ausstehen. Wahrscheinlich hat sie das Plastikrohr bloà aus Gehässigkeit mitgenommen. Sie weiÃ, dass darin eine Zeichnung meiner Mutter steckt. Sie hasst Mum so sehr, dass sie sogar gedroht hat, das Bild zu verbrennen, falls ich es heraushole.«
Brody blickte sie mitfühlend an. »Ich helfe dir, das wieder in Ordnung zu bringen. Aber zuerst musst du mir die Wahrheit sagen. Hast du das Gemälde hier irgendwo versteckt?«
Sie wandte den Blick ab. »Nein.«
In diesem Augenblick tauchte Jax am Fenster auf.
Sashas Herzschlag beschleunigte sich. Insgeheim war sie froh, ihn zu sehen. Er war unrasiert und die dunklen Bartstoppeln lieÃen ihn älter, männlicher und gefährlicher wirken.
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