Am Anfang ist die Ewigkeit
Aufräumen. Wo finde ich denn Müllsäcke?«
»In der Waschküche.«
Wenig später war sie zurück in ihrem Zimmer und stopfte die ruinierten Klamotten hinein. Boo tobte durch die Kleiderfetzen und dachte wohl, sie würde mit ihm spielen. Der arme Hund war genauso dämlich, wie er hässlich war. Aber er hatte ein treues, liebes Wesen, und das wog seine Dummheit und sein Aussehen mehr als auf. Wenige Minuten später klopfte es an der Tür.
»Herein«, rief Sasha, nachdem Boo sich unter dem Bett verkrochen hatte.
Chris öffnete die Tür. »Warum willst du das alles wegschmeiÃen?«
Sie hob ihren ehemaligen Lieblingspullover hoch. Auf Brusthöhe gähnten zwei groÃe Löcher.
»Was ist denn passiert?« Als Sasha keine Anwort gab, stieà er sich vom Türrahmen ab und runzelte die Stirn. »Sie war das, stimmtâs?«
Es musste hart sein, mit einer Mutter wie Melanie zu leben. Sasha brachte es nicht übers Herz, ihre wahren Gedanken auszusprechen. Also zuckte sie nur mit den Schultern und fuhr fort, den Müllsack vollzustopfen.
»Ich verstehe gar nicht, wieso sie dich so sehr hasst.«
»Sie hat meine Eltern gehasst.«
»Das tut mir leid, Sasha. Hast du es schon Dad erzählt? Er kauft dir bestimmt neue Sachen.«
»Nein, ich habâs ihm nicht erzählt. Ist schon okay, Chris. Ich hab mir heute Nachmittag ein paar neue Klamotten besorgt.«
»Brauchst du Hilfe?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber trotzdem danke.«
Er wünschte ihr eine gute Nacht und ging in sein Zimmer. Sekunden später hörte sie sein Videospiel dudeln.
Als sie fertig war, schleppte sie die Säcke nach drauÃen und begann, die neuen Kleidungsstücke einzuräumen. Einfach Wahnsinn, dass Jax mit ihr shoppen gegangen war. Sie war zwar nervös, weil morgen der erste Tag an ihrer neuen Schule war, aber wenigstens hatte sie etwas zum Anziehen.
Sie fuhr ihren neuen Laptop hoch und rief ihre E-Mails ab. Als sie eine von ihrer Mum entdeckte, hätte sie vor Freude fast einen Luftsprung gemacht. Doch ihr Glück verpuffte genauso schnell, wie es gekommen war. Ihre Mum hatte nur wenige Zeilen geschickt. Bin in St. Petersburg. Suche mir eine Wohnung und dann einen Job. Hab dich lieb.
In ihrer Antwortmail schrieb Sasha ihrer Mutter über Telluride und dass sie Ski fahren gewesen war. Tim und Chris erwähnte sie nur wenig, Brett und Melanie gar nicht. Was hätte das auch gebracht? Ãber die Ravens konnte sie sowieso nichts schreiben. Mum würde das bestimmt nicht verstehen.
Am nächsten Morgen entschied sich Sasha für eine Jeans, einen roten Pullover und die neuen schwarzen Stiefel, die Jax ihr unbedingt hatte kaufen wollen. Dazu wählte sie den schwarzen Ledermantel, der fast so lang war wie der, den Jax immer anhatte. Bei einem Blick in den Spiegel an der Badezimmertür kam es ihr vor, als würde sie anders aussehen, irgendwie älter. Auch mit den Haaren hatte sie sich viel Mühe gegeben. Sie trug nicht den üblichen Pferdeschwanz, sondern eine Haarspange. AuÃerdem hatte sie etwas mehr Make-up als sonst aufgelegt und sogar das neue Parfum benutzt. Heute brauchte sie wirklich jede Unterstützung, die sie kriegen konnte. Die Angst vor dem ersten Schultag war an diesem Morgen zehnmal gröÃer, als sie je für möglich gehalten hätte. Sie stopfte einen Zwanziger in ihren Rucksack und schaute Boo an. »Wir sehen uns drauÃen, Kleiner.« Er wedelte mit dem Schwanz und verschwand.
Im Erdgeschoss bereitete Melanie gerade das Frühstück zu. Als Sasha in die Küche kam, funkelte sie sie feindselig an. »Woher hast du die Klamotten?«
»Die habe ich in der Fundkiste im Schwimmbad von Mountain Village gefunden. Verrückt, was die Leute alles liegen lassen.«
»Du lügst! Du hast doch bestimmt irgendeinen alten Lustmolch angemacht, der dir das alles gekauft hat.«
Kein Wunder, dass es zwischen Melanie und Dad böses Blut gegeben hatte. Sasha hatte den starken Verdacht, dass ihre Tante schon immer so gewesen war, auch bevor sie ihre Seele an Eryx verkauft hatte.
Melanie deutete auf den Tisch. »Nimm dir den Muffin da und verschwinde.«
Der Duft nach gebratenem Speck lieà Sasha das Wasser im Mund zusammenlaufen, aber offensichtlich war er nicht für sie gedacht. Ohne ein Wort zu sagen, griff sie nach dem Muffin und trat ins Freie. Die heftigen Schneefälle
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