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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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ist schwierig. Es ist so kompliziert, wenn Arme und Beine gleichzeitig verschiedene Sachen machen sollen. Aber ich mache die schönsten Armbewegungen der Welt, behauptet Onkel Hans. »Wenn du noch genauso gute Beinbewegungen machst, kannst du bald bis nach China schwimmen«, sagt er.
    »Mir reicht‘s, wenn ich bis nach Weitwegistan komme«, sage ich. Darüber muss er immer herzlich lachen.
    »Hans glaubt, dass ich es diesen Sommer schaffe«, sage ich.
    »Das wäre gut«, sagt Mama. Aber ich höre, dass sie in Gedanken anderswo ist. Diesen Sommer ist irgendwas mit Mama. Das spüre ich geradezu in der Luft. Die Mamaluft ist kühl und abwesend. Sie ist nicht mehr froh. Nimmt mich nicht so oft und so innig wie früher in den Arm.
    Ich frage mich, ob ich wieder mal daran schuld bin. Ob es an mir liegt, dass Mama nicht froh ist. Aber ich stelle fest, dass mir das inzwischen egal ist.
    Dann höre ich, wie die anderen sich auf dem Reisig zu bewegen beginnen. Die Sonne ist nach oben unterwegs, sie scheint schon auf unseren hölzernen Mann. Der ganze Red Bull ist rot. Ich reibe mir die Augen.
    »Heute Nacht hab ich geglaubt, ich höre eine Mücke«, sage ich.
    •
    Ich nehme Tüchtig mit ans Ufer und ziehe Tangbüschel voller Muscheln aus dem Wasser. Die weißen Vögel halten gehörigen Abstand. Ob sie vor mir Respekt haben? Tüchtig wühlt mit seinem kräftigen Rüssel im Tang, während ich die Muscheln entferne. Ich knacke die Schalen mit einem Stein und werfe ihm dann das Muschelfleisch zu. Tüchtig schlingt alles in sich hinein, was ich ihm auftische. Er schmatzt zufrieden und schaut mich nach jeder Portion an.
    »Jetzt sind keine mehr da«, sage ich und zeige ihm meine leeren Hände. Da kommt er her und reibt sich daran.
    »Willst du mehr?«
    Er antwortet mit einem kurzen, lauten Grunzen.
    »Von mir aus«, sage ich, stehe auf, wate wieder hinaus und suche noch mehr Tang zusammen.
    Tüchtig begleitet mich ins Wasser. Erst als es ihm bis an den Hals reicht, bleibt er stehen. Mit dem Halfter sieht er sehr komisch aus.
    »Du kannst wohl auch nicht schwimmen, oder?«, sage ich. »Dann warte lieber dort, bis ich wiederkomme. Und lauf mir ja nicht weg, hörst du!«
    Als ich mit einem großen Tangbüschel zurückkomme, grunzt er zufrieden und hüpft vergnügt mit mir an den Strand.
    »Du bist ein superkluges Schweinchen«, sage ich, nachdem wir den Tang von Muscheln befreit haben. »Da brauchst du dieses doofe Ding doch nicht um den Kopf zu haben, oder?«
    »Öff«, sagt Tüchtig.
    Ich löse den Verschluss des Halfters unter seinem Kinn und ziehe es vorsichtig ab.
    »So ist das doch viel besser!«
    Tüchtig schüttelt erleichtert den Kopf. Dann galoppiert er am Ufer entlang, macht eine Kehrtwendung und galoppiert zurück. Ich muss über ihn lachen.
    »Da freust du dich, was, Wutzilein? Komm, wir gehen zurück zu den andern!«
    Tüchtig bleibt dicht neben mir. Ab und zu schaut er zu mir auf, um festzustellen, was ich vorhabe. Er ist wie ein Hund, denke ich, aber fast noch klüger.
    »Hast du ihn etwa frei laufen lassen?«, sagt David. »Spinnst du jetzt total, oder was?«
    »Er geht bei Fuß«, sage ich. »Er braucht kein Halfter. Kannst du auch sitzen, Tüchtig? Wollen wir das mal probieren? Sitz!«
    Tüchtig sieht mich mit großen Augen an, setzt sich aber nicht hin. Stattdessen setze ich mich neben David.
    »Sitz!«, wiederhole ich und klopfe mit der Handfläche auf den Boden.
    »Öff«, sagt Tüchtig und setzt sich mir auf den Schoß.
    David lacht.
    »Ihr zwei seid euch ziemlich ähnlich«, sage ich. »Außer dass Tüchtig intelligenter ist.«
    •
    Dinah kniet am Ufer und zeichnet etwas in den Sand. Neben ihr liegt ein Haufen Vogelsteine. Aber die Vögel bleiben hoch oben am Himmel. Vielleicht haben sie inzwischen verstanden.
    Ich sitze ein Stück von Dinah entfernt, plaudere mit Tüchtig und bringe ihm neue Sachen bei. »Komm!« und »Sitz!« und »Platz!« kann er schon. Ich glaube, er ist das cleverste Tier, das ich je gehabt habe. Ich erzähle ihm von Red Bull. Tüchtig fürchtet sich vor dem hölzernen Mann und traut sich kaum, daran vorbeizugehen. Jetzt erkläre ich ihm, dass wir die Statue als eine Art Hilferuf gebaut haben.
    »Weißt du, es ist bloß ein Notsignal.«
    Ich schaue die Statue oben auf dem Wall an. Die Sonne scheint auf den roten Stein. Die Arme sind weit ausgebreitet. Es sieht fast so aus, als versuchte Red Bull, die Welt zu umarmen. David und Gabriel verstärken gerade die Beine, indem sie Steine als

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