Am Anfang war das Ende (German Edition)
irgendwelche Affen«, meint David.
»Oder Wilde«, sage ich und setze versuchsweise einen Fuß in einen der Abdrücke. »Oder noch eine Gruppe von solchen wie wir.«
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Die Entdeckung der mysteriösen Spuren verändert unser Verhalten. Es ist, als sähen wir endlich ein, dass das hier Realität ist. Dass wir etwas erleben, das sich genau jetzt abspielt. Alles wird für uns wirklicher. Dieses gespenstische Gefühl, das uns bisher im Griff gehalten hat, lässt nach. Ich weiß nicht, ob wir dadurch hoffnungsvoller oder ängstlicher werden. Aber es ist, als erwachten wir aus einem langen traumähnlichen Dämmerschlaf. Auf einmal handeln wir entschiedener. Bewegen uns bewusster, aber auch vorsichtiger. Wir beobachten die Umgebung und spähen über die Felder. Wir reden und denken anders, sind nicht mehr mit einer toten Familie und zwei Schweinen allein hier. Vielleicht gibt es noch mehr Menschen wie uns. Menschen, die auf der Jagd nach Nahrung unterwegs sind. Menschen die sich zu Gruppen zusammengeschlossen haben, um zu überleben.
Die große Frage ist: Sind es Freunde oder Feinde?
Am Abend koche ich ein weiteres Mal die gleiche wässrige Muschelsuppe.
»Schmeckt echt gut«, sagt David und schiebt sich einen Löffel in den Mund.
»Ich wüsste zu gern, ob uns jemand zum Narren hält«, sagt Dinah und wirft einen Blick zu der toten Familie hin.
»Wir müssen uns die Luke vornehmen«, sage ich. »Dort unten gibt es vielleicht irgendwelche Lebensmittel.«
Der Hund und die Katze liegen immer noch mitten im Zimmer auf dem Flickenteppich. Es wäre nicht besonders schwierig, unter den Tisch zu kriechen und in den Keller zu spähen. Nicht schwierig, aber ziemlich unangenehm. Keiner von uns hat dazu Lust.
»Wir warten bis morgen«, sagt Dinah und schaut aus dem Fenster. Draußen senken sich schmutzig braune Schleier herab und hüllen uns und den Hof in eine unheimliche, kompakte Finsternis.
»Wozu?«, sage ich. »Unten im Keller ist es morgen genauso dunkel.«
»Wie sollen wir dort überhaupt was sehen?«, fragt Gabriel.
»Mit dem Feuerzeug«, sagt David.
»Das ist fast leer«, sagt Dinah. »Und wir brauchen es zum Kochen.«
»Vielleicht kann man sich mit den Händen vorantasten«, sage ich. »Und nur im Notfall das Feuerzeug benützen. Ein Mal oder so.«
»Klingt nicht unbedingt verlockend«, sagt Dinah.
»Okay, ich mach’s!«, sage ich plötzlich. Keine Ahnung, was in mich gefahren ist. Vielleicht ist es die Erinnerung an Omas Keller, die mir Mut verleiht. Oder es ist die Einsicht, dass irgendwas passieren muss, damit wir weiterkommen.
»Du bist echt verrückt«, sagt Dinah.
»Ich weiß«, sage ich.
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Gemeinsam schieben die anderen den Tisch ein Stück zur Seite, damit die Bodenluke direkt darunter zu liegen kommt. Ich hocke unter dem Tisch und folge dem Tischbein mit den Fingern. Irgendwann stoße ich gegen ein anderes Bein, wahrscheinlich das des Vaters, versuche es aber zu ignorieren.
»Stopp!«, rufe ich. »Das reicht.«
Unterm Tisch ist es dunkel, aber ich finde ohne weiteres den Metallring, der in den Boden versenkt ist, und klappe ihn mit den Fingern hoch.
»Wie läuft’s?«, fragt Gabriel.
»Ich versuch sie jetzt zu öffnen«, sage ich, packe den Ring mit festem Griff und ziehe aus Leibeskräften daran. Nichts bewegt sich.
»Das Ding ist verdammt schwer«, flüstere ich. »Vielleicht ist die Luke zugenagelt.«
Ich ruhe mich kurz aus, bevor ich den Ring mit neuen Kräften packe. Plötzlich scheint sich die Falltür über der Luke ein klein wenig nach oben zu bewegen. Doch dann gelingt es mir nicht, sie oben zu halten, ich muss sie loslassen. Mit einem schweren Seufzer fällt sie zurück.
»Und?«, fragt David.
»Sie ist zu schwer«, sage ich. »Ich glaube, man muss stehen, um sie öffnen zu können.«
»Vielleicht sollte man was dazwischenklemmen?«
»Was denn?«
»Ein Stück Holz zum Beispiel?«
»Vielleicht«, sage ich.
»Das kriegen wir hin«, sagt Dinah.
Ich höre sie in der Küche rumoren. Sie stolpert mit einem Fluch über den toten Hund, dann höre ich ihre Stimme ganz in der Nähe.
»Wenn du die Falltür ein Stück anhebst, schieben wir das hier dazwischen«, sagt sie.
»Okay, ich versuch’s.«
Ich rutsche ein Stück seitwärts, um den Metallring besser greifen zu können. Dann packe ich mit beiden Händen zu und ziehe daran.
»Noch ein kleines Stück!«, sagt David.
Ich beiße die Zähne zusammen und ziehe an dem Ring, bis mir meine eigenen Arme im Weg sind.
»Ich
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