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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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erschöpft.
    »Ob sie wohl schlafen?«, schnaufe ich.
    Dinah nickt, sagt aber nichts.
    Ich spähe zum Hof. Er wirkt so friedlich, als würde er ebenfalls schlafen. Nachts sehen tote Bäume aus wie ganz normale Bäume. Die riesige Ulme vor dem Haus erinnert an einen Riesen mit dicken Armen, der vor dem Haus Wache hält. Je näher wir kommen, desto deutlicher glaube ich zu sehen, dass etwas an dem Baum hängt. Ich fixiere es lange, kann aber nicht erkennen, was es ist.
    »Hängt da was?«, sage ich und versuche hinzudeuten, indem ich den Kopf vorstrecke, ungefähr wie ein Fußballspieler, der köpfen will.
    Dinah hebt den Blick und läuft weiter, ohne etwas zu sagen.
    »Ich kann nichts sehen«, sagt sie schließlich.
    Wir werden langsamer, bewegen uns eine Zeitlang im Schritttempo, ohne zu sprechen. Ich versuche zu erkennen, was es sein kann, das da von einem Ast des Baumes herabbaumelt. Dann kommt die Kälte angeschlichen, streicht uns wie eine eisige Hand über den Rücken, und wir fallen wieder in den Laufschritt. Nach einer Weile glaube ich zu erkennen, was dort am Baum hängt, aber der Gedanke ist so abwegig, dass ich ihn für mich behalte. Erst als wir so nahe am Hof sind, dass es ganz eindeutig ist, bleibe ich stehen, lege Dinah die Hand auf den Arm und flüstere: »Im Baum hängen zwei Menschen, Dinah!«
    •
    Dinah starrt zur Ulme hinüber. Ich bin mir ganz sicher. An dem Baum hängen zwei menschliche Körper und baumeln an je einem Strick. Sie zeichnen sich wie schwarze Silhouetten am Himmel ab. Es sieht fast schön aus und ist absolut grauenhaft.
    »Was ist da passiert?«, sagt Dinah leise.
    Ich antworte nicht. Einerseits, weil ich natürlich nicht weiß, was passiert ist. Andererseits, weil mir eine andere, wichtigere Frage durch den Kopf geht:
Wer
hängt da eigentlich am Baum?
    »O Gott, wenn das jetzt David und Gabriel sind!«, flüstert Dinah.
    Wieder antworte ich nicht. Einerseits, weil ich natürlich nicht weiß, ob es David und Gabriel sind. Aber auch, weil ich denke: Wer könnte es sonst sein?
    •
    21 . SZENE. AUSSENAUFNAHME. NACHT. AUF DEM HOF.
    JUDIT, DINAH, (DAVID, GABRIEL).
     
    Zwei dunkle Schattengestalten bewegen sich über die weite Ebene. Direkt hinter ihnen ist ein Tier erkennbar.
     
    DAVID (nicht im Bild)
    Jetzt kommen sie!
     
    GABRIEL (nicht im Bild)
    Was bringen sie denn da mit?
     
    DAVID (nicht im Bild)
    Sag bloß nicht, dass sie noch ein Schwein gefunden hat …
     
    GABRIEL (nicht im Bild)
    Sieht fast so aus.
     
    Die Schattengestalten bleiben stehen. Die eine deutet auf den Hof.
     
    DAVID
    Jetzt sehen sie die Toten!
    •
    Wir stehen da und schauen zum Hof. Devil spürt, dass wir fast am Ziel sind, und rennt schwanzwedelnd um uns herum. Er will, dass wir weitergehen. Aber ich kann den Blick nicht von den Menschen am Baum abwenden. Es sieht aus wie auf einem alten Gemälde oder wie eine Szene aus einem Horrorfilm. Da höre ich, dass Devil zu knurren anfängt.
    »Jemand ist auf dem Hof«, flüstert Dinah. »Sie stehen vor der Veranda.«
    Als ich in die Richtung schaue, in die sie zeigt, sehe ich sie. Drei Personen stehen mitten auf dem Hof. Devil beginnt, dumpf und drohend zu bellen. Als ich das höre, fühle ich mich gleich ruhiger. Solange wir Devil haben, wird niemand uns etwas tun.
    Allmählich erkenne ich, dass die dritte Person keine Person ist, sondern etwas Eckiges, ein Bündel Bretter vielleicht.
    »Aber das sind doch David und Gabriel«, stoße ich erleichtert aus. »Hallo!«, rufe ich dann und strecke einen Arm in die Höhe.
    »Hallo!«, antwortet Davids vertraute Stimme.
    Als wir die hören, rennen wir los. Devil scheint begriffen zu haben, dass das unsere Freunde sind. Sein Gebell klingt auf einmal ganz anders.
    »Hallo!«, rufe ich noch einmal aus purer Erleichterung. »Wir sind’s bloß!«
    Devil rennt voraus, auf David zu, und untersucht seine Beine minutiös nach jedem noch so schwachen Geruch. David hält still, steif wie ein Stock.
    »Shit, was ist das denn für ein Monster?«, sagt er erleichtert, als Devil auf Gabriel zusteuert.
    »Devil ist fast kein bisschen gefährlich«, erkläre ich.
    »Wo findest du nur all diese Viecher!«, sagt David.
    »Hab mir gedacht, wir könnten einen Wachhund brauchen!«, sage ich.
    Inzwischen ist auch Gabriel untersucht und gebilligt worden. Erleichtert stößt er einen Seufzer aus.
    »Echt genial, Judit. Wir haben nämlich tatsächlich ein paar kleinere Probleme.«
    »Das haben wir gemerkt«, sage ich und schaue zu dem Baum.

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