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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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paar Meter von ihm entfernt in den Sand setzte, Maske, Schnorchel und Flossen abnahm und schließlich den schwarzen Taucheranzug auszog. Dabei hörte er aufmerksam den Ausführungen seines Tauchlehrers Gai zu, der neben ihm stand und ihm in Windeseile die ganze Ausrüstung abnahm, während er seine Rede mit heftigen Gesten begleitete und keine Pause beim Sprechen machte. Nun, da Michael seinen Sohn sah, munter und lebendig, merkte er erst, wie groß seine Angst gewesen war.
    »Wer ist der junge Mann eigentlich, der den Unfall hatte?« fragte er Usi, und der antwortete zerstreut: »Irgendeiner aus Jerusalem. Er heißt Ido Duda'i, ein bißchen schwerfällig, aber in Ordnung, einer, der kein Geld hatte und schon immer mal tauchen wollte. Er hat den Kurs schon vor einem Jahr angefangen, hatte aber dann kein Geld mehr und konnte nicht weitermachen, einer von der Uni. Ich hoffe immer noch, daß er es überlebt, ich warte darauf, daß man mich anruft, sein Tauchlehrer ist mit ihm gefahren. Mehr kann ich dir auch nicht erzählen, er hat eine Frau und eine kleine Tochter.« Mit schwacher Stimme fügte er hinzu: »Nun, vielleicht überlebt er es ja. Die Ausrüstung ist nicht von uns. Er hat sie geschenkt bekommen, als er den Kurs angefangen hat, ich weiß nicht, von wem. Ich weiß auch gar nichts über die Preßluftflaschen. Vielleicht sind sie undicht.«
    »Vielleicht war der Atemregler nicht in Ordnung?« fragte Michael und sah wieder die Schlagzeile der Zeitschrift vor sich, die er zusammengerollt in der Hand hielt. Usi betrachtete ihn interessiert und fragte: »Seit wann bist du denn Sachverständiger für Taucherausrüstungen? Willst du es auch lernen?« Michael hielt ihm die Zeitschrift hin und erinnerte sich plötzlich an die Wut, die Usi immer gepackt hatte, als sie zusammen für das Abitur lernten, besonders für Geschichte, daran, daß die dicken Bücher, die sie lesen sollten, bei Usi einen übermächtigen Wunsch nach Schlaf geweckt hatten, schon beim ersten Buch, während Michael schon zweimal die fünf anderen gelesen hatte.
    Usi begann Gai in allen Details von dem Unfall zu berichten, und Juval hörte gespannt zu. Gai, ein junger rothaariger Mann, zeigte zunehmendes Entsetzen. Die Sommersprossen auf seinem runden Gesicht traten immer deutlicher hervor, je blasser er wurde.
    Michael betrachtete forschend Juvals Gesicht, das gerade noch von seinem Taucherlebnis gestrahlt hatte und nun immer ernster wurde, und während Wörter wie »atmosphärischer Druck« und »Ventile« um sie herumschwirrten, konnte Michael an nichts anderes mehr denken als an die Frage, ob Juval auf den nächsten Tauchgang verzichten würde oder nicht. Es war heiß, er hatte Lust, für einen Moment in das tiefblaue Wasser einzutauchen. Doch er wußte, daß das unter diesen Umständen ungehörig wirken würde, wie eine Demonstration von Gleichgültigkeit.
    Die Frage des nächsten Tauchgangs wurde gelöst, als Usi verkündigte, daß für heute Schluß sei. Er versammelte die Lehrer, vier braungebrannte junge Männer, die aussahen, als ob man sie in ihre Badehosen gegossen hätte und sie nie andere Kleidung trügen, um sich und ging mit ihnen in sein Büro. Dort setzte er sich neben das Telefon und knabberte an den Fingernägeln auf eine Art, die in Michael eine bittere Sehnsucht nach dem früheren Usi weckte, Sehnsucht nach dem Jungen, nach seiner Mutter und seinem Vater und sogar nach Tschaikowskys Schwanensee, nach seiner ersten Begegnung mit der europäischen Kultur, die auf diese konkrete Weise durch die zarten Filter von Becky Pomeranz, Usis Mutter, über ihn hereingebrochen war.
    Sie saßen im Büro und warteten auf den Artruf. Usi weigerte sich, das Büro zu verlassen, und Michael blieb bei ihm. Beide rauchten schweigend. Der Aschenbecher füllte sich, und erst um vier Uhr nachmittags klingelte das Telefon. Michael hörte die Worte »Ja, ich habe verstanden«, und er spitzte die Ohren, als Usi sagte: »Und wie, wollt ihr, soll ich damit umgehen?« Und dann: »Es macht mir nichts aus, selbst hinzufahren, ich fühle mich trotzdem verantwortlich.« Schließlich legte er den Hörer auf und fragte mit gesenktem Blick, ob er mit Michael nach Jerusalem fahren könne. »Eigentlich gleich, wenn es dir nichts ausmacht, deinen Besuch etwas abzukürzen.«
    Michael ging hinaus, um Juval zu suchen, der nicht protestierte, und als sie ihre Sachen aus Usis Wohnung holten, sagte Juval: »Ich habe vor dem Tauchen zufällig ein paar Worte mit ihm gewechselt,

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