Am Anfang war der Seitensprung
zeigten sich an meinen Händen rote, heftig juckende Stellen. Der Hautarzt diagnostizierte eine Allergie.
»Aber wogegen denn?« fragte ich erstaunt. »Ich trage bei der Arbeit Gummihandschuhe.«
»Eben«, meinte er, »und gegen die sind sie allergisch.«
Jetzt stand ich wieder da. Kein Job, keine Kohle. Es war zum Verrücktwerden.
Jetzt hatte ich nur noch eine Möglichkeit. Ich mußte meine Mutter anpumpen. Widerstrebend wählte ich ihre Nummer. Es meldete sich Martin.
»Annabelle, wie schön, dich zu hören. Willst du uns nicht endlich mal besuchen?«
Ich war tatsächlich noch nie in ihrer Wohnung gewesen, und angesichts meiner verzweifelten Lage nahm ich die Einladung sofort an. Vielleicht wäre Martins Anwesenheit ja hilfreich bei meinem Bittgang.
Die Wohnung der beiden lag in einem teuren Viertel der Stadt und war so ausgestattet, daß ich fast die Schuhe ausgezogen hätte, um das edle Parkett nicht zu beschmutzen.
»Aber nicht doch«, winkte Martin ab, »wir haben ja keine krabbelnden Kleinkinder!«
Erlesene Antiquitäten und Erinnerungsstücke an Martins Zeit in Durban hatten zum Glück Queen Mums vernünftige Möbel fast vollständig verdrängt. Nur vereinzelt entdeckte ich Gegenstände, die ihr gehörten.
Sieh mal an, daß sie sich so dezent im Hintergrund halten würde, hätte ich ihr gar nicht zugetraut.
»Deine Mutter kommt gleich, sie hat noch Einkäufe gemacht und verspätet sich etwas«, entschuldigte Martin sich höflich und bot mir einen Platz an.
Er hatte bereits Tee gekocht und reichte mir eine silberne Schale mit Gebäck, das eindeutig nicht aus dem Naturkostladen stammte. Vielleicht würde er meiner Mutter ja tatsächlich noch Geschmack beibringen.
»Wie war eure Hochzeitsreise?« erkundigte ich mich.
Die beiden waren zwei Wochen durch Südafrika gereist; Martin hatte Queen Mum unbedingt seine langjährige Heimat zeigen wollen.
Er erzählte ein bißchen, aber er wirkte abwesend.
Plötzlich sagte er: »Annabelle, du weißt, daß deine Mutter eine wunderbare Frau ist, sonst hätte ich sie nicht geheiratet. Aber sie hat ein paar seltsame Eigenschaften.«
Oh, dachte ich, Schnellmerker.
»Ach ja? Welche denn?« fragte ich unschuldig.
»Nun ja, daß sie immer ihre Brille verlegt und mich verdächtigt, ich hätte sie versteckt, ist eher eine liebenswerte Schrulle. Daß sie dem Buddhismus zuneigt, Japanisch lernt und morgens immer ihre Gliedmaßen verrenkt, ist auch nicht weiter ungewöhnlich. Was mich wirklich beunruhigt hat, war, daß sie neulich alle Möbel umgestellt hat. Denkst du, da steckt so eine esoterische Spinnerei dahinter?«
Ich grinste in mich hinein. Hatte sie also mal wieder irgendwelche Strahlungen ausgemacht. Nun ja, wie sollte ich ihm das erklären, ohne seine Frau als meschugge hinzustellen?
»Kein Grund zur Sorge«, sagte ich beruhigend. »Ich weiß nicht, ob sie es dir erzählt hat, sie hat ja früher als Innenarchitektin gearbeitet. Tja, und manchmal überkommt es sie einfach, dann räumt sie alles um. Das hat gar nichts mit Esoterik zu tun, glaub mir.«
Die Haustüre ging und Queen Mum erschien.
»Anna-Kind, wie schön, dich zu sehen!« sagte sie überschwenglich und küßte mich auf beide Wangen.
Dann zog sie einen kleinen Kasten aus einer Tüte und hielt ihn hoch.
»Ratet, was ich hier habe!«
Martin und ich sahen uns fragend an.
»Keine Ahnung, Edda«, sagte Martin, »sieht aus wie ein Geigerzähler.«
»Ein Gerät zum Aufspüren von gefährlichem Elektrosmog«, sagte sie triumphierend.
»Elektrosmog?« Martin wirkte verwirrt. »Meines Wissens ist die Existenz von Elektrosmog wissenschaftlich noch nicht erwiesen.«
»Hast du eine Ahnung!« Queen Mum rollte unheilvoll mit den Augen.
Das durfte nicht wahr sein! Schon wieder so ein Hokuspokus, und ausgerechnet jetzt.
Martin wollte es nun offenbar genau wissen und sagte:
»Warum hast du mir eigentlich nie erzählt, daß du mal als Innenarchitektin tätig warst, Edda?«
Meine Mutter sah ihn verständnislos an. »Ich, als Innenarchitektin? Wer hat dir denn das erzählt?«
Ich spürte Martins Blick auf mir und wurde rot.
»Äh … ich. Du hast doch immer wieder mal mit Papa zusammengearbeitet, wenn es um die Innenraumgestaltung ging und so«, sagte ich in beschwörendem Tonfall.
»Ich habe höchstens überprüft, ob gefährliche Strahlungen in den Räumen sind«, sagte Queen Mum energisch und machte alle meine Rettungsversuche zunichte. Nun würde Martin seine Frau für eine Spinnerin halten
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