Am Anfang war der Seitensprung
einen jungen Adelssproß. Auf solche Typen bin ich ja nun überhaupt nicht abonniert.
Wenig später liegen wir in seiner Studentenbude auf dem viel zu schmalen Bett und haben zum ersten Mal Sex. Ich weiß nicht, ob wir da schon Lucy gezeugt haben oder erst ein bißchen später. Tatsache ist, daß gleich darauf meine Tage ausbleiben. Erstaunt stelle ich fest, daß am Ende des Monats noch drei Pillen in der Packung sind.
Was wohl aus meinen Rockerfreunden geworden war? Ob sie wirklich alle nach Südfrankreich gezogen waren und eine Biker-Kommune gegründet hatten? Manchmal hatte ich, trotz des unrühmlichen Endes meiner Zeit als Motorradbraut, eine wilde Sehnsucht nach Leuten von damals, aber die waren verschwunden.
Heute, wo ich kaum vor die Tür kam, war es nicht gerade leicht, neue Freundschaften zu schließen. Ich mochte die frustrierten Vorort-Mütter nicht besonders, die hier draußen wohnten. Ständig beklagten sie sich über ihre Kinder, ihre Männer oder ihre Nachbarn. In diesem Jammerchor mitzujammern, hatte ich keine Lust.
Am nächsten stand mir Doro. Ich hatte sie vor zwei Jahren bei einem Steptanzkurs kennengelernt. Sie war dort, um einen Mann zu finden, ich, um Gewicht zu verlieren. Beide hatten wir keinen Erfolg gehabt, hatten den Kurs irgendwann aufgegeben, waren aber befreundet geblieben.
Sie brachte einen Hauch von großer Welt in mein Hausfrauendasein. Durch ihren Beruf kam sie mit vielen interessanten Leuten zusammen; sie fotografierte Schauspieler, Politiker, Musiker, Sportler – manchmal waren richtige Stars darunter. Ich lauschte begierig ihren Erzählungen aus der Welt der Zelebritäten, die, wie Doro anschaulich schilderte, auch nur Menschen wie du und ich waren.
Geradezu erschütternd fand ich ihre Schilderung eines weltberühmten Autors, der bei der Präsentation seines neuen Werkes zweihundert Leute warten ließ, weil er es vorgezogen hatte, sich in seinem Hotelzimmer volllaufen zu lassen. Als sein Lektor besorgt nach seinem Verbleib forschte, kam ihm der Schriftsteller schwankend auf dem Hotelflur entgegen, mit verrutschtem Toupet und in nicht mehr ganz blütenfrischer Unterwäsche. Nur mit Mühe konnte er davon abgebracht werden, in diesem Aufzug vor sein Publikum zu treten.
Mich durchfuhr ein wohliger Schauder bei solchen Enthüllungen, zeigten sie mir doch, daß auch reiche und berühmte Menschen nicht unbedingt glücklicher waren als ich.
Mein Verhältnis zu Doro war seit dem Abend in der bayerischen Wirtschaft noch inniger. Ihr Erschrecken bei meinem Anblick war mir wie ein Akt der Solidarität erschienen, sie hatte sofort erkannt, daß ihrer Freundin Ärger drohte. Und ich hatte es toll gefunden, wie sie sich den restlichen Abend bemüht hatte, für entspannte Stimmung zu sorgen. Nur ganz kurz hatte ich noch mal darüber nachgedacht, was für ein merkwürdiger Zufall es gewesen war, sie mit Friedrich anzutreffen. Aber sie hatte mich – genau wie er – schnell überzeugt, daß sie an diesem Abend eigentlich mit mir hatte ausgehen wollen.
Doro schien wirklich etwas an unserer Freundschaft zu liegen. Immer wieder rief sie an, lud mich ein oder schlug gemeinsame Unternehmungen vor.
Eines Tages überraschte sie mich mit zwei Pressekarten für ZZ Top. Whow! Musik aus der guten alten Zeit, abrocken bis zum Umfallen, wer konnte da widerstehen!
Es war Jahrhunderte her, daß ich bei einem Konzert gewesen war. Friedrich stand nicht auf Rock, er hörte ausschließlich Klassik und Jazz. Daß ich jetzt zu diesen
»abgetakelten Rockopas« gehen wollte, statt endlich mal mit ihm zu einem klassischen Frühschoppen, empfand er regelrecht als Verrat.
»Midlife-crisis«, konstatierte er, »zwanghafter Rückfall in jugendliche Verhaltensweisen.«
Ich freute mich in der Tat wie ein Kind und machte in meinem Übermut etwas ganz Verwegenes: Ich kaufte mir eine Lederjeans! So eine, wie Doro sie hatte, schwarz, ganz eng, mit aufgenähten Taschen auf dem Po.
Am Abend des Konzertes präsentierte ich das Prunkstück meiner Familie. Jonas, Lucy, Friedrich und Queen Mum saßen aufgereiht wie im Theater, als ich in den Raum stolzierte.
Lucy schlug entsetzt die Hand vor die Augen. »Wie peinlich«, rief sie und rannte raus.
Jonas sah mich mit schräg gelegtem Kopf an. »Ist dir die schon zu klein, Mami?« fragte er zaghaft.
Friedrich ließ seine Hand auf meinen mit Leder bespannten Po runtersausen, daß es klatschte. »Ich will unbedingt dabei sein, wenn du versuchst, aus dem Ding wieder
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