Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
Vom Netzwerk:
machte keinerlei Anstalten, in ihre Wohnung zurückzukehren. Ich war inzwischen in einem Zustand gereizter Resignation, wenn es so was gibt. Immer wieder regte ich mich furchtbar über sie auf, gleichzeitig hatte ich mich mit ihrer Anwesenheit abgefunden. Trotzdem: Irgendwann mußte ihr Haus doch renoviert sein! Ich traute mich nicht, direkt zu fragen. Es hätte so plump gewirkt.
    Immer noch nervten mich ihre harmlosen Eigenheiten: daß sie ständig ihre Brille verlegte und jedesmal einen von uns verdächtigte, sie weggeräumt zu haben. Daß sie vor jedem Essen ein buddhistisches Gebet aufsagte.
    Daß sie ihre abgeschnittenen Fußnägel im Garten vergrub, weil das positive Kräfte mobilisieren sollte. Daß sie mit Jonas Kinderlieder sang, die er nur aus Höflichkeit mitsang. Daß sie Lucy Kleider kaufte, die teuer, vernünftig und scheußlich waren und die Lucy niemals tragen würde. Immer wieder überraschte sie uns mit Einfällen, die lieb gemeint, aber völlig daneben waren.
    Irgendwann rückte sie mit einem Gerät an, das aus zwei Handgriffen und einem merkwürdig gebogenen Draht bestand. »Das ist eine Wünschelrute«, erklärte sie dem verdutzten Jonas.
    »Au, toll, können wir uns jetzt was wünschen?«
    »Nein, damit kann man rausfinden, was unter dem Haus in der Erde ist.«
    Jonas legte den Kopf schief.
    »Du meinst … Gold und so was?«
    Queen Mum lachte. »Komm mit, ich zeig’s dir.«
    Sie hielt das Ding vor ihrem Bauch und ging langsam durch die Zimmer unseres Hauses. Jonas ging in der gleichen Haltung neben ihr her und staunte sie an.
    Vermutlich fragte er sich, ob seine Omi eine Hexe oder Zauberin wäre, jedenfalls war er sehr fasziniert von dem Humbug.

    Plötzlich blieb sie stehen. »Da, es hat ausgeschlagen!«
    »Was?«
    »Die Wünschelrute, sie hat sich bewegt.«
    »Haben wir jetzt einen Schatz gefunden?« Jonas gab die Hoffnung auf verborgene Reichtümer nicht auf.
    »Nein, vermutlich eine Wasserader. Genau unter deinem Bett.«
    Neugierig spähte Jonas unter sein Bett. Queen Mum erklärte ihm, daß die Wasserader unter dem Haus verliefe, daß sie seinen Schlaf beeinträchtige und daß sein Bett umgestellt werden müsse. Jonas begriff zwar den Grund nicht, fürs Möbelrücken war er aber immer zu haben.
    Mit vereinten Kräften zogen und zerrten die beiden, bis sie den Holzboden in Jonas’ Zimmer verkratzt und das Bett auf die gegenüberliegende Seite geschafft hatten.
    Das gleiche wollte sie in allen anderen Schlafzimmern veranstalten, komischerweise verliefen unter allen Betten Wasseradern. Lucys Bett war so eingebaut in all ihr Gerümpel, daß man es beim besten Willen nicht verrücken konnte, ohne das ganze Zimmer auszuräumen. Und Friedrich leistete Widerstand, als Queen Mum unser Ehebett mitten in den Raum stellen wollte.
    »Das ist der einzige Platz ohne schädliche Strahlung«, erklärte sie.
    »Das ist mir, mit Verlaub, scheißegal, liebe Schwiegermama«, antwortete Friedrich in ungewohnter Deutlichkeit.
    Beleidigt zog sie ab, den unermüdlichen Jonas im Schlepptau. Wenig später verrückten die zwei Sessel und Tische im Wohnzimmer.
    Ich wollte schon empört einschreiten, da sah ich, daß die neue Anordnung der Möbel unter ästhetischen Gesichtspunkten nicht ohne Reiz war. Das Zimmer wirkte plötzlich größer, und so gestattete ich großmütig die Veränderung.
    Zufrieden, weil sie glaubte, mich überzeugt zu haben, schritt Queen Men noch durch den Abstellraum und den Waschkeller. Von mir aus konnte sie auch die Waschmaschine umstellen, wenn sie meinte, daß sich dadurch deren Lebensdauer erhöhte. Friedrich und ich wechselten einige vielsagende Blicke, und für einen Moment fühlte ich mich, als sei ich die Erwachsene und meine Mutter das Kind.

    Ein paar Tage später tauchte sie mit einem Brief in der Hand beim Mittagessen auf.
    »Stellt euch vor, jetzt gibt es Verzögerungen bei der Sanierung! Sie haben zwar die Fassade fertig und die Heizungen, aber jetzt haben sie Schäden im Mauerwerk entdeckt. Erst in drei Monaten kann ich wieder in meine Wohnung.«
    Ich war so überrumpelt, daß mir buchstäblich die Worte fehlten. Ich hatte damit gerechnet, daß sie in ein, zwei Wochen umziehen könnte. Jetzt würde die Tortur noch mal so lange dauern wie bisher.
    »Macht doch nichts, Omi, dann bleibst du halt noch ein bißchen hier«, wollte Jonas sie trösten. »Oder gehen wir dir schon sehr auf den Wecker?«
    Queen Mum lachte. »Nein, mein Schätzchen, aber vielleicht gehe ich ja euch auf

Weitere Kostenlose Bücher