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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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glotzen den ganzen Tag fern, gehen nicht ins Bett und lassen das Haus verkommen. Friedrich kommt Freitag abend spät heim und muß auch Samstag und Sonntag für ein paar Stunden ins Labor, weil er einen Versuch laufen hat. Mir wäre einfach wohler, wenn jemand da wäre.«
    »Meine Kochkünste sind nicht gerade der Hit«, warnte Doro.
    »Egal, die Kinder essen alles, und Friedrich läßt sicher mal ’ne Pizza springen oder eine Einladung ins Restaurant.«
    Sie schaute immer noch skeptisch. Ich beugte mich vor, suchte ihren Blick.

    »Bitte, Doro, ich habe mich so auf dieses Wochenende gefreut.«
    Sie nickte zögernd.
    »Also gut, aber auf deine Verantwortung!«
    Ich umarmte sie. »Danke! Du bist eine echte Freundin!«
    Wir verbrachten noch einen gemütlichen Abend, hechelten ihre neuesten Männergeschichten durch und tranken ein paar Gläser zuviel.
    Friedrich war gar nicht begeistert.
    »Das ist doch nicht nötig«, sagte er, »die Kinder sind groß genug.«
    »Sei doch froh, wenn dir jemand hilft! Ich schicke dir ja keine Schwester von der Caritas, sondern eine nette Freundin.«
    Friedrich brummte irgendwas.
    Ich verstand nicht, warum er so ablehnend war. Ich nahm an, er war neidisch auf meinen Wochenendtrip; sicher wäre er genauso gerne weggefahren wie ich.

    Weil es im Schloßhotel ein Schwimmbad gab, mußte ich mir dringend einen Badeanzug kaufen. An einem der nächsten Vormittage betrat ich forschen Schrittes einen Laden. Ich war die einzige Kundin, und zwei Verkäuferinnen, denen offenkundig sterbenslangweilig war, stürzten sich gleichzeitig auf mich. Wenig später fand ich mich mit einer Auswahl von zwölf Badeanzügen und Bikinis Größe 40/42 in einer der Garderoben wieder. Ich begann, meinen winterweißen Körper aus den Kleidern zu schälen, und mit jedem Stück, das ich ablegte, wuchs mein Entsetzen. Ich war nicht mollig, ich war fett. Mein Bauch wabbelte, meine Beine waren cellulitisch bis zum Knöchel, mein Hintern quoll in Wülsten aus dem Slip hervor, es war zum Erbrechen.
    Die Beleuchtung in der Kabine ließ jede noch so winzige Delle in meiner Haut zu einem Krater anwachsen, und aus jeder Rundung wurde eine konturlose Masse. Ohne ein einziges Teil anprobiert zu haben, zog ich mich wieder an, drückte einer der Verkäuferinnen die zwölf Bügel in die Hand und verließ, mit den Tränen kämpfend, den Laden.
    Ich ging schnell ein paar Schritte, dann begann ich zu heulen. Eine Welle von Selbsthaß überrollte mich, verzweifelt schniefte ich vor mich hin.
    Dieser unförmige Fleischklumpen sollte ich sein? Das war mein Körper, meine sterbliche Hülle, der Anblick, den ich der Welt zumutete? In nacktem Zustand mutete ich ihn zwar nur Friedrich zu, aber die Vorstellung, daß jeder andere Mann bei diesem Anblick vermutlich schreiend davonlaufen würde, stürzte mich in Verzweiflung. In ein Hotelschwimmbad würden mich keine zehn Pferde bringen, am besten, ich sagte das Wochenende ab und buchte einen Monat in einer Fastenklinik! Ich stürzte in ein Café, erstand eine große Packung Champagnertrüffel und stopfte die klebrigen Kugeln in mich hinein. Dann betrat ich einen Gemüseladen und kaufte eine Tüte voller Gurken, Tomaten und Paprika.
    Ich würde mein Leben ändern. Jetzt, genau in diesem Moment.
    Abends stellte ich mich noch mal vor den Spiegel.
    Im weichen Licht der Schlafzimmerlampe war mein Anblick längst nicht mehr so schrecklich. Natürlich war ich nicht gerade schlank, aber die Horrorvision, die mir das Kabinenlicht vorgespiegelt hatte, entsprach auch nicht der Wirklichkeit. Wenn ich bis zur Abfahrt ein bißchen aufpaßte, könnte ich vielleicht ein, zwei Pfund abnehmen.
    Und nach dem Besuch des Seminares »Mehr Selbstbewußtsein« würde ich es sicher locker schaffen, vor den Augen meiner schlanken Kolleginnen in den Pool zu springen. Zur Not auch mit dem alten Badeanzug.
    Ich packte Paprika, Gurken und Tomaten und legte sie in Queen Mums Kühlschrankfach. Ich mußte es ja nicht gleich übertreiben!
    Am Tag meiner Abfahrt wies ich Doro in ihre Aufgaben ein und sprach ihr Mut zu. »Du schaffst das schon, bei anderen Leuten sind meine Kinder immer total brav. Und Friedrich wird sich überschlagen, du wirst sehen. Im Keller steht ein Karton mit sehr gutem Rotwein, solltest du Stärkung benötigen.«

    Das Schloßhotel übertraf meine kühnsten Erwartungen.
    Es lag in einem wunderschönen Park und wirkte wie eine Oase der Entspannung. Auf meinem Zimmer fand ich ein Schreiben vor, in dem ich

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