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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Freund bist du sowieso noch ein bißchen jung. Laß dir lieber Zeit mit den Männern …«
    »… sonst ergeht’s dir wie deiner Mutter«, ergänzte ich.
    Queen Mum verstummte und wandte sich zu Jonas. Sie zeigte ihm den Landeplatz des Rettungshubschraubers.
    Gebannt sah Jonas hinaus.

    Ich küßte und streichelte Lucy und sprach leise auf sie ein.
    »Jetzt werd erst mal gesund, mein Liebes, alles andere wird sich finden!«
    Lucy nickte unter Tränen. Sie vergewisserte sich, daß Queen Mum nichts hören konnte, dann flüsterte sie:
    »Und das Auto?«
    Mit bedauerndem Schulterzucken flüsterte ich:
    »Taschengeldentzug. In sechzehn Jahren hast du’s geschafft.«
    Lucys körperliche Verletzungen heilten zum Glück ziemlich schnell, es sah so aus, als würde das Bein wieder vollständig in Ordnung kommen. Mit den seelischen Verletzungen sah es anders aus. Marco, dieser kleine Scheißkerl, zog tatsächlich mit ihrer Klassenkameradin Ilka herum. Lucy litt Höllenqualen.
    »Ich geh nicht mehr in die Schule! Ich halte das nicht aus, die beiden zu sehen!«
    Marco hatte zwar schon das Abitur und machte jetzt, wie Lucy sich ausdrückte, »Geschäfte«. Aber es war ziemlich wahrscheinlich, daß er Ilka mal von der Schule abholen würde.
    Ebenso wahrscheinlich war, daß Lucy die Klasse endgültig nicht mehr schaffen würde. Die Wochen im Krankenhaus hatten ihre Defizite derart vergrößert, daß schon ein Wunder geschehen müßte, wenn sie all den Stoff aufholen wollte.
    Das einzig Tröstliche war, daß Lucy in der Zeit nach dem Unfall viel zu Hause war und sich nicht ständig rumtrieb. Ich genoß es, mir mal keine Sorgen machen zu müssen. Bis sie wieder fit war, verwöhnte ich sie, so gut ich konnte.

    Irgendwann drohte der erste Schultag, und Lucy hatte ihr altes Selbstbewußtsein wieder.
    »Wer mich nicht will, hat mich nicht verdient«, knurrte sie und zog los, entschlossen, sich von niemandem weh tun zu lassen.
    Als sie heimkam, erzählte sie, daß Marco auch Ilka längst sitzengelassen hätte und die beiden Mädchen sich ausführlich über seinen schlechten Charakter ausgetauscht hätten.
    Zu allem Überfluß hatte ich während der ganzen Zeit auch noch mit der Kindergarten-Kampftruppe zu tun und mußte mich ernsthaft mit dem Thema beschäftigen.
    Schließlich hatte ich auch hier Verantwortung übernommen.

    Eines Morgens war es dann soweit. Wir marschierten zur Gemeindeverwaltung, wo wir einen Termin beim zuständigen Referenten hatten.
    Herr Renz war ein netter, junger Beamter, der mit sorgenvoll gerunzelter Stirn über die Schwierigkeiten referierte, die der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für die Kommunen darstellte.
    »Die Kassen sind leer«, jammerte er und sah uns so vorwurfsvoll an, als hätten wir persönlich sie ausgeplündert. Meine Mitstreiter sahen mich auffordernd an. Errötend legte ich Herrn Renz den Fall dar, analysierte den Finanzbedarf, stellte ihn den erwarteten Einsparungen gegenüber und erläuterte, wie mit Aushilfskräften und flexiblen Öffnungszeiten die Schließung der Gruppe zu vermeiden wäre. Zum Abschluß reichte ich ihm die Mappe mit unseren Unterlagen.
    »Da haben Sie sich aber gründlich in die Materie eingearbeitet«, bemerkte Herr Renz anerkennend.

    »Trotzdem muß ich das erst mal in Ruhe durchgehen und mit meinem Vorgesetzten besprechen.«
    Damit stand er auf. Die Audienz war offenbar beendet.
    Mit trotzig verschränkten Armen blieb ich sitzen.
    »Also so lassen wir uns nicht abspeisen. Wenn wir jetzt gehen, hören wir doch frühestens in einem halben Jahr wieder von Ihnen.«
    Ich war erstaunt über meinen Mut. Auch Herr Renz schien überrascht. Offenbar war er keinen Widerspruch gewöhnt.
    »Sie können sicher sein, wir melden uns bei Ihnen.«
    Er öffnete die Tür und stellte sich wartend daneben.
    Was sollte ich bloß machen? Wenn ich jetzt aufstand, machte ich mich lächerlich. Wenn ich sitzen blieb auch.
    »Alle reden immer von der Bürgernähe der Behörden, und wenn man mal was will, hat keiner Zeit«, schimpfte ich.
    Das ließ Herr Renz nicht auf sich sitzen.
    »Also gut«, sagte er und schloß die Tür wieder.
    Als wir eine Stunde später sein Büro verließen, waren wir in Siegerlaune.
    »Und nächste Woche sollen wir schon Bescheid kriegen!« jubelte Wiltrud.
    »Erst mal abwarten«, dämpfte Horst. Er kannte die Beamten, er war selbst einer.
    »Du warst toll«, lobte mich Marthe.
    Ich gebe zu, ich war ziemlich stolz auf mich.

    Die Wochen vergingen, Queen Mum

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