Am Anfang war der Seitensprung
Zaghaft berühre ich sein Glied, zucke ängstlich zurück vor seiner Größe. Wie soll das Ding reinpassen! Egal, denke ich, jetzt oder nie, dieser unwürdige Zustand der Jungfräulichkeit muß ein Ende haben. Alle meine Freundinnen haben es schon getan, zumindest behaupten sie es, und ich kann so schlecht lügen.
Julian legt sich auf mich, fummelt unbeholfen zwischen meinen Beinen herum, plötzlich ein stechender Schmerz, ich schreie kurz auf, er bewegt sich ein paarmal heftig auf und ab, ein Zittern läuft durch seinen Körper, und er sackt stöhnend auf mir zusammen.
Das soll’s schon gewesen sein? Ich bin überrascht, streichle Julians Rücken und spüre fast mütterliche Gefühle dem Jungen gegenüber, der in seiner Nacktheit so verletzlich wirkt. Sein erschlafftes Glied rutscht aus mir heraus, er gleitet von mir herunter. Meine Hand wandert zwischen meine Beine, dort fühlt es sich wund und glitschig an.
Vorsichtig lecke ich an meinen Fingern, es schmeckt salzig, ein bißchen nach Blut. Ich fühle Stolz, endlich bin ich eine Frau!
Als ich frühmorgens in unser Haus schleiche, fängt mein Vater mich ab. Er ist blaß und unrasiert, tiefe Schatten liegen unter seinen Augen. Er sagt kein Wort, schaut mich nur an, mit dem Blick eines verletzten Tiers. Dann knallt er mir eine. Mein Kopf fliegt zur Seite, ich presse die Lippen zusammen.
In meinem Zimmer schließe ich mich ein, hocke mich aufs Fensterbrett und beobachte, wie die Sonne aufgeht.
Als ich aufwachte, traf mich fast der Schlag.
Ich lag nackt im Bett eines Jungen, den ich seit einem Tag kannte, und wenn mich meine Erinnerung nicht trog, hatten wir die halbe Nacht damit zugebracht, uns zu lieben.
Schnell zog ich die Decke bis unters Kinn, verbarg meinen Körper vor dem gnadenlosen Licht, das durch die vorhanglosen Fenster fiel.
Rilke lag auf dem Bauch, die Faust in seine Wange gestemmt, die Lippen halb geöffnet. Sein Gesicht war mir zugewandt, seine Lider flatterten leicht.
Ich betrachtete seinen Rücken, seine Schultern und seine Arme. Ich erinnerte mich, wie es war, diesen kantigen Jungenkörper zu umfassen, die verheißungsvoll gespannten Muskeln und Sehnen zu spüren. Von ihm ging eine Kraft aus, wie ich sie noch bei keinem Mann gespürt hatte. Ein unwiderstehlicher Drang, ihn an mich zu pressen, überfiel mich. Ich beherrschte mich, streichelte statt dessen mit den Fingerspitzen seinen Nacken, wo die Haut mit einem zarten, blonden Flaum bedeckt war.
Er gab ein leises Grunzen von sich und begann sich zu bewegen. Erschrocken zog ich die Hand zurück. Nein, wach noch nicht auf, dachte ich, laß mich deinen Anblick noch ein bißchen genießen. Zu spät. Er drehte sich um und öffnete die Augen.
Am liebsten wäre ich ganz unter die Decke gekrochen, hätte mich vor seinem Blick in Sicherheit gebracht.
Bestimmt sah ich schrecklich aus. Faltig, verquollen, verdrückt – wie man als siebenunddreißigjährige Frau morgens eben so aussieht.
»Du starrst mich an wie ein hypnotisiertes Kaninchen«, begrüßte er mich grinsend.
»So fühle ich mich auch.«
Er gähnte herzhaft und griff nach seiner Brille, die neben der Matratze auf dem Boden lag.
»Nein, nicht anschauen«, protestierte ich.
»Warum? Ich finde, daß du ziemlich gut aussiehst für eine Frau in deinem Alter, die kaum geschlafen hat.«
Er versuchte, mir die Decke wegzuziehen. Ich schrie auf und klammerte mich an ihr fest.
»Was hast du denn?«
»Ich geniere mich. Ich bin fett, alt und häßlich. Und du hast irgendeine Störung, einen Mutterkomplex oder so was.«
Rilke lachte auf.
»Wenn hier einer ’ne Störung hat, dann du. Du bist wunderschön, sinnlich und leidenschaftlich. Dein Körper ist nicht so glatt und langweilig wie der Körper eines jungen Mädchens. Er hat eine Geschichte, er hat Charakter. Ich finde dich total geil.«
Ich bekam einen roten Kopf.
»Warum läßt du dich eigentlich Anna nennen? Das paßt gar nicht zu dir«, fuhr er fort.
»Hat sich so ergeben. Annabelle klingt so prätentiös.«
»Aber Anna klingt bieder und hausfrauenmäßig. Ich werde dich Bella nennen. Bella, die Schöne.«
»Wie heißt du überhaupt richtig?« wollte ich wissen.
»Felix.«
Er nahm mein Gesicht in die Hände und küßte mich.
»Nichts zwischen uns. Nichts. Oder Glas. Oder sonst irgendwas. Der Moment größter Nähe ist zugleich der Moment größter Fremdheit.«
Er hielt inne und sah mich an. Sein Blick war halb ernst, halb spöttisch und viel erwachsener, als er sein
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