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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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nicht zugetraut.«
    Ich lächelte wehmütig. »Ich mir auch nicht, Lucy.«
    Eine Weile lagen wir schweigend da. Es war so tröstlich, sie zu spüren, meine große, kleine Tochter. Ich hatte schon das Gefühl gehabt, sie verloren zu haben.
    Sie strich mit der Hand über meine Hüfte.
    »Du hast abgenommen! Man spürt schon die Knochen.«
    »Aber du hungerst hoffentlich nicht mehr?« erwiderte ich.
    »Nö.«
    »Bist du wieder verliebt?«
    »Mmh.«
    »In den Kerl mit den Koteletten?«
    »Mmh.«
    »Wie heißt er denn?«
    »Jojo. Joachim.«
    »Ist er lieb zu dir?«
    »Total lieb.«
    »Habt ihr … hast du … ich meine«
    »Ob wir zusammen geschlafen haben? Noch nicht. Aber ich glaube, er ist der Richtige. Bei Marco wollte ich noch nicht. Deshalb hat er mich auch sitzenlassen. Aber mit Jojo ist es ganz anders.«
    »Wie wollt ihr verhüten?«
    Ich kam mir blöd vor bei dieser typischen Mutter-Frage, aber Lucy schien es in Ordnung zu finden.
    »Mit Gummi natürlich, wie denn sonst? Jojo ist zwanzig, er hat Erfahrung.«
    Ich zog sie an mich.
    »Lucy, egal, was passiert, ich hab dich lieb. Und ich bete darum, daß wir uns später mal besser verstehen als Omi und ich.«
    »Weißt du, ich glaube, Omi liebt dich auch. Sie hat nur eine komische Art, es zu zeigen.«
    Eng aneinandergeschmiegt wie zwei Löffelchen schliefen wir ein.
    Es dauerte nicht lange, da war es vorbei mit der Nachtruhe. Jonas weinte. Schlaftrunken torkelte ich in sein Zimmer. Ein Griff an seine Stirn und ich wußte: Das Fieber war wieder gestiegen. Er hustete heftig und klagte über Kopfschmerzen.
    Ich schleppte eine Schüssel mit kaltem Wasser und einen Stapel Handtücher in sein Zimmer und machte ihm, trotz seines erbitterten Widerstands, Wadenwickel. Er brüllte und strampelte, mit Mühe und Not gelang es mir, ihm die naßkalten Tücher um die Beine zu wickeln. So bezaubernd Jonas sonst war, wenn es ihm schlecht ging, war er unausstehlich. Ich kramte in der Hausapotheke nach Hustensaft, stellte fest, daß massenhaft abgelaufene Medikamente auf sachgerechte Entsorgung warteten, und legte unauffällig ein Fieberzäpfchen bereit. Wenn Jonas das kleine, silbern verpackte Ding entdeckte, würde er die ganze Straße zusammenbrüllen.
    Die Wadenwickel zeigten zum Glück Wirkung, Jonas beruhigte sich und dämmerte daumenlutschend vor sich hin.
    Ich schlich in mein Bett zurück und hoffte, daß ich weiterschlafen könnte. Lucy drehte sich grunzend um, als ich unter die Decke glitt. Kaum lag ich, rief Jonas nach mir. Wieder stand ich auf und beruhigte ihn.
    Als ich dachte, er sei eingeschlafen, schlich ich rück-wärts Richtung Türe. Kaum war ich draußen, brüllte er:
    »Mami, bleib da, ich will nicht allein sein!«
    So hatte das keinen Zweck. Ich weckte Lucy und schickte sie zurück in ihr Bett, dann packte ich Jonas mitsamt Decke, Kissen und Kuscheltier und legte ihn neben mich.
    Die nächsten Stunden verbrachte ich in unruhigem Halbschlaf. Jonas schreckte ständig hoch, weinte, verlangte nach Wasser oder mußte aufs Klo. Gegen Morgen wurde er ruhiger, und ich schlief endlich ein.
    Als ich aufwachte, fühlte ich mich wie vom Panzer überrollt. Meine Glieder schmerzten, ich bekam kaum meine Augen auf. Mit letzter Kraft schleppte ich mich in die Küche und braute mir eine Kanne Kaffee.
    »Guten Morgen«, ertönte Queen Mums Stimme, »das war wohl eine ziemlich unruhige Nacht?«
    »Kann man wohl sagen«, brummte ich, »ein bißchen Hilfe hätte ich gut gebrauchen können.«
    »Du hättest mich nur zu rufen brauchen«, sagte sie mit sanfter Stimme und einem Lächeln, mit dem man Brot hätte schneiden können.
    Ich überlegte kurz, ob es wohl schwierig wäre, eine Leiche verschwinden zu lassen.

Dreizehn
     
    Ich führte ein ziemlich anstrengendes Doppelleben.
    Tagsüber ging ich brav in die Bank und machte meinen Mama-Job, nachts schlich ich mich so oft wie möglich aus dem Haus und fuhr zu Rilke. Frühmorgens kam ich nach Hause, machte Frühstück und weckte die Kinder. »Bist du Frühaufsteherin geworden?«
    wunderte sich Lucy, die ähnlich schwer aus dem Bett kam wie ich. »Du bist neuerdings morgens so munter.«

    »Ja, stell dir vor, ich fahre jeden Morgen mit dem Fahrrad«, log ich, »man muß was für sich tun in meinem Alter.«
    Queen Mum warf mir einen anerkennenden Blick zu.
    »Das ist sehr vernünftig, Anna-Kind!«
    Wenn sie wüßte.
    Aber offensichtlich interessierten sie die Vorgänge im Haus derzeit nicht allzusehr, sonst hätte sie längst was merken

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