Am Anfang war der Seitensprung
von über viertausend Mark zukommen lassen. Ich hatte sie kommentarlos zurückgeschickt.
Jetzt wollte sie wohl ihr Geld persönlich eintreiben.
Oder sollte es eine dieser berühmten Aussprachen zwischen Ehefrau und Geliebter werden, in der darum gerungen wurde, wer weiter Tisch und Bett mit dem begehrten Mann teilen durfte?
»Du darfst ihn behalten«, warf ich ihr hin und ging weiter.
»Ich will ihn aber nicht«, hörte ich ihre Stimme hinter mir.
Überrascht drehte ich mich um.
»Was soll das heißen? Erst spannst du mir den Mann aus, und jetzt willst du ihn nicht?«
»Ach, Anna, es tut mir so schrecklich leid!« rief Doro und stürzte sich in meine Arme.
Das wurde ja immer besser. Jetzt sollte ich, die betrogene Ehefrau, sie auch noch trösten! Ich blieb stocksteif stehen und wartete. Schniefend schlug sie vor, in ein Café zu gehen, um in Ruhe über alles zu reden. Ich stimmte zu, mehr aus Neugierde, als aus dem Drang heraus, mich auszusprechen.
»Du siehst gut aus«, sagte Doro unsicher lächelnd, als wir uns in einem halbleeren Café gegenübersaßen,
»irgendwie … strahlend. Abgenommen hast du auch.«
Ich reagierte nicht.
»Also, was paßt dir an Friedrich nicht?« wollte ich wissen.
»Er will immer nur das gleiche.«
»Das ist bei Männern so, die sind eben triebhaft.«
»Nein, das ist es nicht. Er will immer nur reden, reden, reden.«
»Wie bitte?« Ich starrte sie verblüfft an.
»Ja, ich verstehe es auch nicht. Am Anfang war alles ganz toll, aber wenn ich jetzt mit ihm schlafen will, erzählt er mir von seinen Laborversuchen, aus seiner Kindheit oder von dir. Ich komme mir allmählich vor wie seine Analytikerin.«
Ich konnte es kaum glauben. So kannte ich meinen Friedrich gar nicht. Ich hatte immer den Eindruck gehabt, daß er guten Sex einem guten Gespräch allemal vorzöge; oft genug hatte ich es selbst bedauert, daß wir so wenig miteinander redeten.
»Er sagt, ich bin die erste Frau, die ihn wirklich versteht.
Dabei wollte ich nur eine Affäre. Im Bett ist er nämlich echt klasse.«
»Na ja, es geht«, schränkte ich ein.
»Wenn ich schon niemanden fürs Heiraten und Kinderkriegen finde, möchte ich wenigstens Sex. Reden kann ich mit jedem.«
Klar, zum Beispiel mit der betrogenen Frau deines Liebhabers, dachte ich grimmig. Die Frau hatte echt Nerven!
»Warum mußte es ausgerechnet Friedrich sein, warum der Mann deiner Freundin?«
Sie senkte den Blick.
»Ich war so einsam. An dem Wochenende habe ich das erste Mal gespürt, wie es ist, eine Familie zu haben.«
Fast tat sie mir leid, aber nur ganz kurz.
»Und jetzt soll ich Friedrich wieder zurücknehmen, oder wie stellst du dir das vor?«
»Ich weiß es nicht. So wie jetzt kann es jedenfalls nicht weitergehen. Meine Wohnung ist zu klein. Er geht mir auf die Nerven.«
Empörung regte sich in mir. So abfällig mußte sie über meinen Mann nun auch wieder nicht reden. Um ein Haar hätte ich ihn in Schutz genommen.
»Tja, Doro«, sagte ich statt dessen, »das ist nun leider dein Problem. Mir geht es sehr gut ohne Friedrich, und wenn du keine Verwendung für ihn hast, mußt du dir für seine Entsorgung was einfallen lassen. Mir kommt er nicht mehr ins Haus.«
Damit stand ich auf und wandte mich zum Gehen.
»Und mein Geld? Du hast meine Einrichtung ruiniert!«
Ich drehte mich um und warf ihr einen großäugigen Unschuldsblick zu.
»Ich? Deine Einrichtung? Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
Zu Hause drückte mir Jonas, der nach seiner Krankheit das erste Mal wieder im Kindergarten gewesen war, einen Brief in die Hand. Darin hieß es, leider seien alle Bemühungen des Elternbeirates und anderer engagierter Eltern gescheitert, die Gruppenzusammenlegung zu verhindern. Ab nächster Woche wären daher 44 Kinder in einer Gruppe. Man bedauere, aber der Zwang zum Sparen hätte die Maßnahme unvermeidlich gemacht.
Mein Gewissen regte sich. Ich hatte die Kiga-Kampftruppe im Stich gelassen, weil mein Beziehungschaos alle Energien erfordert hatte. Jetzt fühlte ich mich mitschuldig am Scheitern der Initiative.
Am Nachmittag ging ich rüber zu Wiltrud. Mit gestreßter Miene öffnete sie, von oben hörte man Bastian und Goofy lautstark streiten.
»Ach, du bist’s.«
»Darf ich kurz reinkommen?«
Sie nickte und ging mir voraus in die Küche.
Dort saß Marthe. Auf dem Boden hockte ein pummeliges Mädchen mit abstehenden Zöpfen und schüttete Wasser von einem Plastikbecher in einen anderen. Das mußte Marthes Tochter
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