Am Anfang war der Seitensprung
ein Superdeal!
»Und was genau hätte ich zu tun?« fragte ich und versuchte, mir meine Begeisterung nicht allzusehr anmerken zu lassen.
»Sie werden ›Beautyline‹-Unternehmerin«, erklärte die Frau. »Sie erwerben einen Vorrat an ›Beautyline‹-
Produkten und suchen im Kreis ihrer Freunde und Bekannten zunächst nach Käufern, dann nach Subunternehmern. In kurzer Zeit haben sie ein Netzwerk aufgebaut, und dann geht’s ans Verdienen!«
Klang gut. Aber wenn das so einfach wäre, wieso waren dann nicht alle Leute »Beautyline«-Unternehmer? Wieder schien sie meine Gedanken zu erraten.
»Sie fragen sich, warum nicht jeder bei diesem Angebot zugreift? Das kann ich Ihnen sagen. Erstens stehen wir noch ganz am Anfang unserer Deutschland-Offensive. Und zweitens hat nicht jeder die Ausstrahlung und Kompetenz, ein solches Produkt erfolgreich zu verkaufen. Sie, liebe Frau Schrader, haben beides, das spürt man.«
Das hörte ich natürlich gerne. Allerdings war ich sicher, daß es nicht besonders schwer sein könnte, etwas zu verkaufen, was eine so positive Wirkung hatte. Noch nie hatte ich so schöne Haare und so glatte Haut gehabt wie in der Zeit meiner beiden »Beautyline«-Kuren. Ich hatte eine bessere Verdauung bekommen, einige Kilo abgenommen und sogar weniger Schlaf benötigt. Wenn die Amis bereit waren, hundertfünfzig Mark pro Dose hinzulegen, würde man mir das Zeug für den halben Preis aus den Händen reißen!
»Wie hoch ist die Verdienstspanne?« erkundigte ich mich und kam mir sehr professionell vor.
»Am Anfang bei fünfundzwanzig Prozent. Je mehr Sie verkaufen, desto höher wird Ihre Provision.«
Die Frau spürte wohl, daß sie mich eingefangen hatte.
»Lassen Sie uns konkret werden«, forderte sie mich auf, »wieviel Eigenkapital haben Sie zur Verfügung?«
»Eigenkapital? Eigentlich gar keines.«
»Könnten Sie einen kleinen Kredit aufnehmen?«
»Na ja, fünf- oder sechstausend Mark würde ich vielleicht kriegen.«
»Das ist nicht die Welt, aber für den Anfang reicht’s«, tröstete sie mich. »Sie investieren dieses Geld, bauen Ihr kleines Netzwerk auf, und mit dem Verdienst können Sie dann immer wieder neu investieren.«
»Und wenn es doch nicht funktioniert?«
Sie legte ihre Hand auf meinen Arm, wie eine Talk-Show-Moderatorin, die einen heulenden Gast beruhigen will.
»Es wird funktionieren. Und wenn nicht, dann verkaufen Sie einfach Ihren Vorrat oder essen ihn selber auf«, meinte sie lachend.
»In Ordnung«, sagte ich. »Ich mache es.«
Die perfekte Frau nahm meine Hand und schüttelte sie ausgiebig. Mit einer schnellen Bewegung griff sie hinter sich und legte mir ein Papier vor.
»Bitte unterschreiben Sie hier!«
»Das kann nicht dein Ernst sein!«
Ungläubig starrte Rilke auf die Kartons mit den insgesamt hundert Dosen, die zwei Tage später geliefert wurden.
Mein freundlicher Kollege bei der Bank hatte mir anstandslos einen persönlichen Kleinkredit in Höhe von sechstausend Mark eingeräumt, und schon war ich stolze »Beautyline«-Unternehmerin.
Hartmann, der in Unterhose und T-Shirt aus seinem Zimmer kam, nahm neugierig eine der Dosen in die Hand.
»Beautyline?« Er brach in wieherndes Gelächter aus.
»Was ist denn das für ein Zeug? Aphrodisiakum für abgeschlaffte Dichterliebchen?«
Ich schleuderte ihm einen wütenden Blick entgegen, zog es aber vor, den Mund zu halten. Rilke packte mich am Arm und zerrte mich in mein neues Zimmer.
»Sag mal, du bist doch wohl nicht auf eine dieser Betrügerfirmen reingefallen, die den Leuten Wunder was erzählen, wie reich sie werden können?«
»Aber keine Spur«, sagte ich selbstsicher. »Das Zeug wird sich verkaufen wie warme Semmeln, du wirst sehen!«
Ich erklärte ihm, wie das »Beautyline«-Konzept funktionierte, daß in kürzester Zeit andere für mich arbeiten würden und daß ich persönlich die Wirksamkeit schon getestet hätte.
»Ich schwöre dir, es gibt Tausende, die darauf warten, daß es das Pulver endlich in Deutschland gibt. Das ist ’ne Goldgrube, darauf wette ich!«
»Und wieviel hast du dafür abgedrückt?«
»Sechstausend.«
Rilke schüttelte den Kopf und seufzte.
»Wie kann man nur so naiv sein, Bella! Du wirst darauf sitzenbleiben, das schwöre ich dir.«
»Das werde ich nicht«, sagte ich angriffslustig. »Was hast du denn schon für eine Ahnung, worauf Frauen stehen!«
Er grinste anzüglich. »Oh, bisher dachte ich, davon sehr wohl eine Ahnung zu haben!«
Wütend streckte ich ihm die
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